Debatte über Corona-Lockdown - Heil warnt vor «On-Off-Strategie»

Wann endlich gibt es Öffnungsperspektiven? Die Fragen aus der
Wirtschaft werden immer drängender. Der Arbeitsminister hält dagegen:
«Nur weil wir alle vom Lockdown genervt sind, können wir ihn nicht
Knall auf Fall beenden.»

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat
angesichts der Gefahren durch die Virusmutationen vor einer
vorschnellen Lockerung der Corona-Auflagen in Deutschland gewarnt.
«Bund und Länder müssen gemeinsam ein vernünftiges Öffnungskonzep
t
entwickeln», sagte Heil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).
«Das muss so sicher sein, dass wir nicht nach ein paar Wochen wieder
alles schließen müssen, was wir gerade erst geöffnet haben.»

Heil räumte ein, dass es alles andere als leicht sei, einen
verlässlichen Stufenplan für Öffnungen aufzustellen. «Ich kann nur

davor warnen, dass es, ähnlich wie in Österreich, zu einer
On-Off-Strategie kommt. Das würde vielen, die wirtschaftlich tätig
sind, endgültig den Boden unter den Füßen wegziehen.» Ein Blick ü
ber
die tschechische Grenze und auch in Teile Österreichs zeige: «Wir
können keine Entwarnung geben.»

Der SPD-Politiker mahnte, bei einer Öffnungsstrategie gelte es,
vorsichtig Schritt für Schritt voranzugehen. «Alle Maßnahmen müssen

mit einer guten Teststrategie einhergehen und wir müssen den
Impffortschritt im Auge behalten», sagte er. «Nur weil wir alle vom
Lockdown genervt sind, können wir ihn nicht Knall auf Fall beenden.»

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen,
forderte dagegen schnelle regionale Öffnungsschritte nicht nur im
Einzelhandel, sondern auch in der Gastronomie und im Tourismus. «Dass
man eine Region mit hohen Inzidenzwerten anders behandeln muss als
die mit niedrigen Werten, liegt auf der Hand. Deswegen kann man nicht
einfach pauschal sagen, dass es überall keine Restaurantöffnungen
oder keinen Osterurlaub geben darf», sagte Gassen der Düsseldorfer
«Rheinischen Post» (Samstag).

Auch die Wirtschaft dringt seit längerem auf ein Ende der strengen
Einschränkungen. «Wir müssen den pauschalen Lockdown durch gezielte,

wirksame Einzelmaßnahmen ersetzen», sagte Stefan Genth,
Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels,
der «Rheinischen Post».

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried
Russwurm, sagte dem Blatt: «Ich würde mir wünschen, dass die Politik

evidenzbasierte Kriterien festlegt, die allen Orientierung geben.
Etwa so: Wenn die Inzidenz in einer Region unter einen bestimmten
Wert fällt, dürfen Geschäfte wieder öffnen.»

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag forderte nach
Informationen der «Rheinischen Post» in einem Schreiben an
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einen Stufenplan zur Öffnung
des wirtschaftlichen Lebens «nach bundesweit einheitlichen Kriterien
mit nachvollziehbaren Regeln für die Unternehmen».

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter
Wollseifer, plädierte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» für eine

«bundesweite Corona-Ampel, an der man genau ablesen kann, unter
welchen Voraussetzungen und Hygienebedingungen welche Betriebe wieder
öffnen können».

FDP-Chef Christian Lindner verlangte eine Öffnungserlaubnis für
Geschäfte, Restaurants und Fitnessstudios in Regionen mit niedriger
Sieben-Tage-Inzidenz: «Kreise und kreisfreie Städte, die die
35-Inzidenz unterschreiten, müssen damit ab sofort beginnen können»,

sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dort seien
Öffnungsschritte über Schulen, Kitas und Friseure hinaus möglich.