) Bayerns Kommunalpolitiker folgen in Corona-Krise Söder und Merkel

Vor dem G7-Gipfel mit US-Präsident Biden konferierte Kanzlerin Merkel
stundenlang mit Bayerns Landräten und Bürgermeistern. Dabei zeigte
sich eine große Geschlossenheit. Es gab aber auch Kritik.

München (dpa/lby) - Bayerns Kommunalpolitiker stehen hinter der
vorsichtigen Corona-Strategie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Nach einer Videoschalte mit 96
Landräten und Oberbürgermeistern aus dem Freistaat am Freitag sagte
Söder, es habe «keine einzige Wortmeldung» gegeben, «die
grundsätzlich in Frage gestellt hat, was wir tun. Das, glaube ich,
ist auch ganz wichtig, weil es um Vertrauen in der Bevölkerung geht.»

Im Kern seien sich alle einig, dass die erzielten Erfolge im Kampf
gegen die Pandemie nicht für einen «schnellen Applaus» bei
überstürzten Lockerungen aufs Spiel gesetzt werden dürften, sagte
Söder. Auch die für alle Entscheidungen relevanten Inzidenzwerte 35
und 50 seien in der Runde von niemandem kritisiert worden. «Wir
dürfen keinen dritten Lockdown riskieren durch zu schnelles Öffnen»,

betonte der Präsident des Landkreistages, Christian Bernreiter (CSU).

Merkel hatte in der mehr als zweistündigen Schalte ihren Kurs bei
Lockerungen von Corona-Auflagen verteidigt. Nur bei niedrigen
Inzidenzen seien mehr Öffnungen zu vertreten, sagte sie nach
dpa-Informationen aus Teilnehmerkreisen. Bei Lockerungen habe für sie
Schule weiterhin Priorität. Danach könnten dann weitere Öffnungen in

den Bereichen Einzelhandel, Veranstaltungen, Kultur und Sport klug
kombiniert werden.

Seitens der Landräte und Oberbürgermeister waren bereits vor der
Schalte Hoffnungen und auch konkrete Erwartungen für weitere
Lockerungen geäußert worden. Dem Vernehmen nach hielten sich die
Kommunalpolitiker aber mit allzu großer Kritik zurück. Sehr wohl
betonten sie aber ihren Ärger über die weiterhin nur langsam
fließenden Finanzhilfen des Bundes sowie die schlechte Planbarkeit
bei der Versorgung mit Impfstoff.

Mit Blick auf die Impfungen forderten die Kommunalpolitiker wie auch
Söder vom Bund ein klares System, damit auch Haus- und Betriebsärzte
in den Prozess eingebunden werden könnten. Für Bayern kündigte Söde
r
an, die Impfzentren weiter ausbauen zu wollen.

Konkrete Forderungen nach Öffnungsterminen waren dem Vernehmen nach
kein Thema in der Runde. Der Präsident des Städtetages, Markus
Pannermayr (CSU), sagte im Anschluss, die Teilnehmer hätten aber die
klare Bitte formuliert, dass Bund und Länder gemeinsam «eine
glaubhafte Skizze» entwerfen müssten, wie man diesen Weg Richtung
Sommer verantwortlich gestalten könne. «So schwer das auch ist.»

Zudem äußerten die Kommunalpolitiker ihren Wunsch nach Kompensationen
des Bundes für weggebrochene Gewerbesteuereinnahmen. Merkel habe dazu
aber keine Zusagen gemacht, sagte Söder. Er betonte aber, das Thema
auch in der großen Koalition noch mal bereden zu wollen. Hilfen seien
wichtig, damit die Kommunen ihre Pflichtaufgaben weiter finanzieren
könnten.

Söder betonte nach der Konferenz, dass er trotz der aktuell unklaren
Perspektiven wegen besonders aggressiver Virusmutationen noch Chancen
für einen Osterurlaub in diesem Jahr sehe: «Ostern ist noch völlig
offen. Der Osterurlaub entscheidet sich in den nächsten drei Wochen.»
Er betonte jedoch, dass überstürzte Öffnungen den Urlaub gefährden.

Bei der Konferenz von Bund und Ländern am 3. März könne dies besser
eingeschätzt werden.

«Wir brauchen eine intelligente Öffnungsmatrix, keinen starren
Stufenplan, aber eine Öffnungsmatrix, die ein breites Instrumentarium
bietet, um entsprechend zu reagieren.» Hierzu zähle ausdrücklich auch

die Option, auch bei Verschlechterungen schnell reagieren zu können.
Dazu sei es auch wichtig, in einer Arbeitsgruppe mit den angrenzenden
Bundesländer ein gemeinsames Corona-Management zu vereinbaren.

Dies beinhalte auch die Möglichkeit für regionale Differenzierungen,
wenn die jeweiligen Infektionszahlen deutlich auseinander lägen. Wie
extrem die Bandbreite bei den Infektionen sei, zeige sich in Bayern
sehr gut: Die Stadt Schweinfurt habe die bundesweit niedrigste
Inzidenz (7,49), Tirschenreuth (rund 320) die höchste. Münchens
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) teilte nach der Konferenz mit,
er sehe für die Landeshauptstadt mit einer Inzidenz unter 35 durchaus
lokale Lockerungsmöglichkeiten, etwa an Schulen und bei Kontakten.

Durch eine kluge Steuerung müsse daher ein Shopping-Tourismus
verhindert werden, bei dem auch Menschen aus Hotspots in andere
Kommunen fahren, sagte Söder. Im Handel seien hierfür etwa
Öffnungskonzepte mit wenigen Kunden pro Quadratmeter oder
Terminvergaben an Kunden denkbar. Zugleich würden in Regionen mit
besonders günstigen Zahlen auch weitere Schulöffnungen wie ein
Präsenzunterricht an Grundschulen und mehr soziale Kontakte möglich.

Derzeit sei Deutschland in einer «hochsensiblen Phase» der Pandemie,
sagte Söder. Es sei eine «Gratwanderung» zwischen Sorgen und
Wünschen. Es zeige sich, dass die Infektionszahlen aktuell nur noch
leicht sinken würden, zugleich aber der Anteil der nachgewiesenen
Infektionen mit Virusmutationen steil ansteige. Die Politik dürfe
deshalb nicht «irgendwelchen kurzfristigen Stimmungen» nachgeben,
sondern müsse weiter sorgfältig vorgehen, betonte Söder. Auch hier
habe es große Einigkeit in der Konferenz gegeben.