Keine offenen Schulen in Landkreisen mit hoher Inzidenz

Eigentlich sollten alle Grundschulen und Kitas in Thüringen ab Montag
wieder öffnen - im eingeschränkten Regelbetrieb. Doch seit Tagen
gehen die Infektionszahlen kaum noch runter oder steigen sogar. Nun
zieht das Gesundheitsministerium die Notbremse.

Erfurt (dpa/th) - Landkreise mit einem besonders hohen
Sieben-Tage-Inzidenzwert dürfen ihre Grundschulen und Kindergärten
nicht wie alle anderen in Thüringen am Montag öffnen. Eine
entsprechende Weisung hat das Thüringer Gesundheitsministerium nach
dpa-Informationen am Freitag erlassen. Demnach sollen Landkreise, die
mehr als 200 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
sieben Tagen haben, ihre Einrichtungen geschlossen halten. Bei einer
Inzidenz zwischen 150 und 200 soll eine Schließung erfolgen, wird
aber nicht angeordnet.

Am Freitag lag nur der Landkreis Schmalkalden-Meiningen mit einem
Wert von 212,9 über der 200er-Markierung. Der Unstrut-Hainich-Kreis
lag mit einem Wert von 197,6 nahe dran.

«Wir sehen mit Sorge, dass der Rückgang der Infektionen seit einigen
Tagen auf viel zu hohem Niveau stagniert», erklärte Thüringens
Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke). Man müsse daher
reagieren, wenn man das Erreichte nicht aufs Spiel setzen wolle.

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) machte klar, dass er das
Vorgehen unterstütze «mit Blick auf die Kreise, die weiterhin ein
besonders dynamisches Infektionsgeschehen haben». Für die betroffenen
Familien sei es aber «eine neue harte Botschaft. Aber daran führt
heute leider kein Weg vorbei», sagte Holter.

Seit Freitag ist in Thüringen eine neue Corona-Verordnung in Kraft,
nach der ab Montag Grundschulen und Kindergärten wieder im
eingeschränkten Regelbetrieb öffnen können. Mit der nun erlassenen
Weisung wird dies abhängig von der Inzidenz im jeweiligen Landkreis
eingeschränkt.

Der Vorsitzende des Thüringer Lehrerverbands, Rolf Busch, reagierte
empört auf die kurzfristig getroffene Regelung. «Es ist einfach nur
beschämend, wie hier mit all den Menschen umgegangen wird, die von
einer solchen Entscheidung betroffen sind», erklärte Busch. Sein
Verband habe bereits Anfang der Woche gefordert, keine Schulöffnungen
unabhängig von Inzidenzwerten zu beschließen. «Diese Art der
Entscheidungsfindung und Kommunikation lassen sowohl das nötige
Sachverständnis als auch den ebenso wichtigen Respekt für alle
Betroffenen schmerzlich vermissen», betonte Busch.

Die Thüringer CDU-Fraktion warf der Landesregierung vor, «im
Panikmodus» zu agieren. «Statt mit einer langfristigen,
inzidenzbasierten Strategie Planungssicherheit für Schüler und Eltern
zu schaffen, bremst das Gesundheitsministerium das
Bildungsministerium in letzter Sekunde aus und kassiert die gerade
erst erlassene Verordnung», erklärte der bildungspolitische Sprecher
der Thüringer CDU-Fraktion, Christian Tischner.

Thüringens SPD-Landräte kritisierten das Vorgehen der Landesregierung
ebenfalls scharf. «Es ist ein wundersamer Vorgang», sagte der Landrat
des Landkreises Gotha, Onno Eckert (SPD), nach einer Schalte der
SPD-Landräte. Er selbst habe noch vor einiger Zeit danach gefragt, ob
die geplanten Öffnungen tatsächlich unabhängig von der Inzidenz
erfolgen sollen. «Ich fand das von Anfang an mutig oder
leichtfertig», sagte Eckert.

Die nun getroffene Entscheidung durch das Gesundheitsministerium sei
richtig, das «Hin und Her» aber sei schlecht. «Das ist
unterirdischste Krisenkommunikation», sagte Eckert. Er plädierte für

ein regional nach jeweiliger Inzidenz gestaffeltes System für die
Schulöffnungen. Außerdem schlug er Wechselunterricht auch für die
Grundschulen vor. Denkbar sei etwa, dass jeden Tag nur jeweils 20
Prozent der Schüler an den Schulen lernen. «Damit hätte jeder Schül
er
einen Tag Präsenzunterricht», sagte Eckert.

Der Chef der Thüringer Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff wies die
Kritik an der Landesregierung zurück. Das Handeln entspreche einer
klaren Logik: «Wie in anderen Bundesländern öffnen in Thüringen
Grundschulen und Kindergärten im eingeschränkten Betrieb und unter
Aussetzung der Präsenzpflicht. Ebenfalls wie in anderen Ländern, so
zum Beispiel in Sachsen und Sachsen-Anhalt, ist klargestellt, dass in
Risikogebieten die Öffnungen nicht erfolgen können», erklärte Hoff.

Er wies darauf hin, dass die Landesregierung seit Beginn der Pandemie
neben der jeweiligen Verordnung auch Vorgaben für die
Allgemeinverfügungen der Landkreise und Kreisfreien Städte
(Risikogebiete) durch Weisung erteilt habe.

Im Unstrut-Hainich-Kreis tritt am Sonntag die neue
Corona-Allgemeinverfügung in Kraft. Neben der andauernden Phase «Rot»

für Schulen und Kitas schreibt diese weiterhin eine Maskenpflicht auf
Märkten und Spezialmärkten vor, teilte das Landratsamt am
Freitagabend in Mühlhausen mit. Spiel- und Bolzplätze sind
freigegeben - aber das Tragen einer Maske für Begleit- und
Aufsichtspersonen ist Pflicht. An den vergangenen Tagen hätten die
schweren Krankheitsverläufe zugenommen, hieß es. Mit dem Anstieg der
mit und an Corona Gestorbenen von 163 auf 185 stehe der
Unstrut-Hainich-Kreis hierbei nun an zweiter Stelle in Thüringen.