Kröten-Lust und Corona-Frust: Frühlingserwachen am Wochenende Von Tobias Schormann, dpa

Mütze ab, Sonnenbrille auf: Nach der Kältewelle kommt endlich
Frühlingswetter. Am Wochenende wird es bis zu 20 Grad warm. Die
Polizei betrachtet das allerdings mit Sorge.

Berlin/Offenbach (dpa) - Kröten kennen einen einfachen Trick, um die
Kälte zu überstehen: Sie verfallen in Winterstarre. Werden sie dann
vom Frühling wachgeküsst, gibt es kein Halten mehr. Am Wochenende
dürfte es vielen Menschen ähnlich gehen: Nach der langen Kältewelle
wird es endlich frühlingshaft mit Werten bis 20 Grad - und nach
Wochen im Lockdown und Flockdown (eine Wortschöpfung aus «Flocke» und

«Lockdown») wird sich mancher wohl wie nach einer langen Winterstarre
fühlen. Die Polizei blickt dem Wetterwechsel allerdings mit Sorge
entgegen.

So rechnet die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) mit mehr
Verstößen gegen die Corona-Regeln am Wochenende. Das schöne Wetter
könne dazu verleiten, leichtsinnig zu werden, sagte der Vorsitzende
Rainer Wendt am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Sonnenstrahlen
sind kein Corona-Impfstoff - das vergessen manche.»

Wendt appellierte an die Bürger, sich an Abstandsregeln und
Kontaktbeschränkungen zu halten. Die Polizei werde «mit ganzer Kraft»

gegen Verstöße vorgehen und verstärkt die Einhaltung der Regeln im
Freien kontrollieren, kündigte Wendt an. Bereits während der jüngsten

Kältewelle habe es wiederholt Corona-Verstöße im Freien gegeben, bei

denen Menschen sich nicht an Abstandsregeln hielten. «Wir hoffen,
dass solches Verhalten am Wochenende kein Massenphänomen wird.»

Dabei wäre es nur zu verständlich, wenn sich neben der Kröten- auch
eine Völkerwanderung in Gang setzt. Erst der Lockdown, dann der
Flockdown: Corona und Kältewelle haben die Deutschen gleich doppelt
in den eigenen vier Wänden gehalten. Jetzt ist Deutschland wieder
aufgetaut, und alle lechzen nach Sonne. Nach wochenlangem
Wir-bleiben-zu-Hause dürften viele daher denken: nichts wie raus!

Die Bedingungen sind ideal: Zum ersten Mal in diesem Jahr könnte am
Sonntag in Deutschland die 20-Grad-Marke geknackt werden, sagte der
Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach am Freitag voraus. «Die
Leute können ihre Grills anschmeißen», sagte ein DWD-Meteorologe. Am

Samstag ist es im Norden anfangs noch bewölkt, sonst heiter bis
wolkig und im Tagesverlauf zunehmend sonnig bei Höchstwerten von 14
bis 18, im Südwesten vereinzelt knapp 20 Grad. Am Sonntag gibt es in
den meisten Regionen viel Sonne und mindestens sehr milde 14 Grad. Am
wärmsten wird es dabei im Westen und am Nordrand der Mittelgebirge.

In der Natur sind die Frühlingsboten schon unterwegs: Am Boden hüpfen
die ersten Kröten zu ihren Laichgewässern, am Himmel kommen die
ersten Kraniche aus dem Süden zurück. Auch Niedersachsens wohl
bekanntester Storch Fridolin und seine Partnerin Mai sind schon aus
ihrem Winterquartier zurückgekehrt. «Fridolin ist am Dienstag wieder
auf seinem Nest auf unserem Schornstein gelandet», sagte Bärbel
Rogoschik vom Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde im Kreis Gifhorn.
Schon kurz nach der Heimkehr konnten die beiden bei ersten
Paarungsversuchen beobachtet werden.

Sogar einen Gruß aus der Sahara gibt es am Wochenende: Erhebliche
Mengen Wüstenstaub sollen nach Europa ziehen, teilte der
Atmosphärenüberwachungsdienst (CAMS) mit. Schwaden aus Wüstenstaub
können den Himmel rot färben und Spuren auf Fenstern und
Windschutzscheiben hinterlassen - ob das auch diesmal der Fall sein
wird, ist bisher noch unklar.

An der Küste bereiten sich die Tourismusbetriebe trotz der ungewissen
Corona-Lage langsam auf die Saison vor. Noch stehen die Strandkörbe
in den Winterlagern. In Norddeich sollen sie in dieser Saison digital
gebucht werden können - dafür werden nun 200 Schlösser angebracht,
wie die zuständige Kurverwaltung mitteilte.

Wird das Zickzack-Wetter nun manchen Kreislaufprobleme bereiten?
Immerhin steigen die Temperaturen in nur einer Woche von mancherorts
mehr als minus 20 Grad auf knapp 20 Grad an. «Eine Differenz von bis
zu 40 Grad gibt es vielleicht alle zehn, zwanzig Jahre mal», sagte
Andreas Friedrich vom DWD. Ein Experte gibt aber Entwarnung: Der
derzeitige Wetterwechsel dürfte nach Einschätzung des
Medizin-Meteorologen Andreas Matzarakis keine großen gesundheitlichen
Probleme verursachen.

Pollenallergiker dürften dem Wetterumschwung allerdings mit einem
lachenden und einem weinenden Auge entgegensehen. Sie müssen sich an
den kommenden Tagen auf eine erhöhte Belastung einstellen. Die
Pollensaison von Hasel und Erle «wechselt vom Kriechgang in den
Turbo», berichtete die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst.
Das gelte vor allem in den tiefen Lagen im Westen und Süden.

Dass die Schneeschmelze jetzt wieder zu Problemen mit Hochwasser
führt, erwarten Experten bislang nicht. In Niedersachsen sieht etwa
der Landkreis Goslar noch keine Gefahr. Auch an der Oder in
Brandenburg ist die Lage durch das Eishochwasser nach Angaben von
Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) nicht bedrohlich.

Ist der Winter damit nun vorbei, wenn es jetzt im Februar schon
Frühling wird? Für DWD-Experte Friedrich ist es zu früh, den Winter
abzuschreiben. Zumindest in Bayern ist er sich sicher, dass es noch
mal einen Kälterückfall zum März hin geben wird, mit Frost, Schnee
und Straßenglätte. «Man sollte seine Winterkleidung im Schrank
griffbereit halten», sagte er.