Gericht: Modekaufhaus Breuninger darf nicht öffnen

Trotz einer Niederlage vor Gericht sehen die Einzelhändler ein Licht
am Ende des Tunnels. Regierungschef Kretschmann stellt ein konkretes
Szenario für die Öffnung der Geschäfte vor.

Mannheim (dpa/lsw) - Das Textil-Handelsunternehmen Breuninger muss
nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) seine
Häuser geschlossen lassen. Die Einschränkungen zum Infektionsschutz
seien weiterhin verhältnismäßig, argumentierten die Mannheimer
Richter in ihrem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss. Die
Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland sei
insgesamt noch als sehr hoch einzuschätzen. Dies rechtfertige es
gegenwärtig, Betriebsuntersagungen aufrechtzuerhalten.

Das Unternehmen mit etwa 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über
750 Millionen Euro im Jahr 2019 hatte entschädigungspflichtige
Eingriffe in sein Eigentumsrecht, erhebliche wirtschaftliche Einbußen
sowie Probleme beim Zugang zu Bundeshilfen geltend gemacht.

Der Handelsverband zeigte sich enttäuscht. «Wir hatten eine andere
Einschätzung», sagte Verbands-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann
.
Gerade Zugpferde wie Breuninger seien notwendig, um Kunden in die
City zu bringen. «Andernfalls sterben die Innenstädte.» Andere
Händler ständen mit Eilanträgen bereits in den Startlöchern.

Hagmann begrüßte die Aussagen von Ministerpräsident Winfried
Kretschmann (Grüne), der dem Handel Hoffnung auf eine baldige
Wiedereröffnung gemacht hatte. «Sollten wir stabil die 35 erreichen,
das heißt, sollten wir diese Inzidenz im Land über mehrere Tage -
zwischen drei und fünf Tagen am Stück - unterschreiten, dann werde
ich weitere Öffnungsschritte veranlassen», sagte Kretschmann den
«Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung» (Donnerstag
)
mit Blick auf die Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in
einer Woche.

Als erstes solle der Einzelhandel bei Öffnungen berücksichtigt werden
- dann aber nur mit einem «klaren Hygienekonzept» und der «Begrenzung

von 20 Quadratmeter pro Kundin oder Kunden», so der Regierungschef in
dem Interview. Ein solches Vorgehen wäre laut Kretschmann von den
jüngsten Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz gedeckt.

Aus Modellrechnungen ergibt sich laut Kretschmann, dass
Baden-Württemberg als erstes Bundesland den Inzidenz-Wert 35
erreichen könnte. «Möglicherweise schon gegen Ende der nächsten
Woche», sagte er den Zeitungen.

Hagmann bemerkte dazu, der mögliche Öffnungstermin 1. März sei
konkreter als der Beschluss der Konferenz. «Für Tausende Händler, die

mehrere Monate zwangsgeschlossen waren, geht, wenn die Ankündigung
auch wirklich umgesetzt wird, eine existenzbedrohende Durststrecke zu
Ende.» Man werde mit dem Land über ein Konzept zum größtmöglichen

Schutz der Kunden sprechen. Die Textilhändler seien wegen der
eintreffenden Frühjahrsmode in logistischen Schwierigkeiten, weil
noch viel nicht verkaufte Winterware Platz wegnehme.

Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) fühlt sich durch den
Beschluss «in der vorsichtigen und immer wieder neu abwägenden
Strategie» im Kampf gegen die Pandemie bestätigt. «Angesichts der
noch immer sehr fragilen Lage müssen wir gerade im Interesse von
Wirtschaft und Gesellschaft alles tun, um eine dritte Welle zu
verhindern.»

Der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Andreas Schwarz,
forderte eine stärkere Unterstützung des Einzelhandels: Der
angekündigte Härtefallfonds müsse so ausgestaltet werden, dass er
einen fiktiven Unternehmerlohn umfasse. Das wäre eine echte Hilfe für
den inhabergeführten Einzelhandel in den Innenstädten.

Breuninger argumentierte im Gerichtsverfahren unter anderem, es
verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass Supermärkte weiter
Textilien verkaufen dürften. Der 1. Senat betonte, es sei davon
auszugehen, dass der Verkauf von Kleidung im Lebensmitteleinzelhandel
zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung ohnehin
geschaffenen Infektionsquellen führe. Das sehe bei der Öffnung des
Textileinzelhandels ganz anders aus.

Das Land bezeichnete die Argumentation des Familienunternehmens als
teils unvollständig und teils tendenziös. So seien dem Warenhaus
Abholstellen und Lieferdienste erlaubt. Laut Presseberichten erziele
es 30 Prozent des Umsatzes mit einem sehr gut etablierten
Online-Shop. Der Beschluss des Gerichtshofes ist unanfechtbar. (Az. 1
S 398/21)

Möglicherweise animiert durch die Öffnung der Friseursalons zum 1.
März haben auch weitere Unternehmer, darunter ein Fahrlehrer, ein
Tattoo-Studio-Betreiber und ein Fitness-Studio-Unternehmer,
Eilanträge gegen die Betriebsschließung beim VGH gestellt.