Experte: Wegen Corona-Mutanten könnte Zahl der Neuinfektionen steigen

Berlin (dpa) - Die Stagnation beim Rückgang der Corona-Neuinfektionen
in Deutschland ist aus Expertensicht auf neue Virusvarianten wie der
aus Großbritannien zurückzuführen. «Der Rückgang der anderen
Varianten ist langsamer als etwa der Zuwachs der Mutation B.1.1.7»,
sagte der Molekularbiologe und Teilnehmer an Expertenrunden der
Bundesregierung, Rolf Apweiler. «Wenn sich der Trend bestätigt, dann
brauchen wir stärkere Restriktionen», so der Direktor des European
Bioinformatics Institute (EMBL-EBI) am Donnerstag im Gespräch mit der
Deutschen Presse-Agentur.

Am 22. Dezember war mit 197,6 der Höchstwert der bundesweiten
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche erreicht worden. In
den vergangenen Wochen sank diese 7-Tage-Inzidenz dann kontinuierlich
- «immer um 20 Prozent pro Woche», so Apweiler. Jüngst verlangsamte
sich aber dieser Rückgang. In den vergangenen fünf Tagen habe sich
bei der Inzidenz «eigentlich gar nichts mehr bewegt».

Zugleich nahm der Anteil der Virus-Variante B.1.1.7 aus
Großbritannien in Deutschland zu. Dem Robert Koch-Institut (RKI)
zufolge lag er in Stichproben zuletzt bei fast 23 Prozent. Apweiler
zufolge wird dieser Anteil noch steigen.

Die aktuelle Situation in Deutschland verglich er mit der
Großbritanniens im November. Auch dort sei die Gesamtinzidenz
innerhalb eines Monats um etwa 50 Prozent zurückgegangen, zugleich
habe aber der B.1.1.7-Anteil etwa um das Vierfache zugenommen. «Also
wirklich genau dasselbe Muster.» Stärkere Maßnahmen zur Einschränku
ng
des Virus hätten damals gegriffen. Was wirklich helfe? «Die Mobilität

herunterfahren, so dass sich möglichst wenige Kontakte ergeben.»

In bestimmten Regionen wie etwa in Flensburg sah der Experte bereits
jetzt eine dritte Infektionswelle. Dort etwa gelten wegen erneut
hoher Inzidenzzahlen von Samstag an eine Woche lang nächtliche
Ausgangsbeschränkungen und ein Verbot privater Treffen.

Mit Blick auf Ostern sagte der Molekularbiologe: «Wenn das genauso
weitergehen würde, könnten wir dann bundesweit etwa eine Inzidenz um
200 haben.» Werde gelockert, könnte der Wert seiner Ansicht nach
sogar auf bis zu 400 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner steigen.

Um solche Szenarien zu vermeiden, zählte Apweiler auf stärkere lokale
Beschränkungen. Eine Auswirkung der Impfungen auf die Fallzahlen wird
seiner Ansicht nach erst im Sommer erkennbar sein - wenn auch jüngere
Menschen geimpft werden.

Die Gesundheitsämter in Deutschland hatten nach RKI-Angaben vom
Donnerstag binnen eines Tages kaum weniger Corona-Neuinfektionen
gemeldet als eine Woche zuvor. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI
am Mittwochmorgen bundesweit bei 57,1 - und damit geringfügig höher
als am Vortag (57,0).

In Dänemark zum Beispiel war unter den Corona-Fällen der Anteil der
in England aufgetauchte Mutante B.1.1.7 rapide gestiegen: Zum
Jahreswechsel lag der Anteil dort um die 2 Prozent, in der letzten
Januar-Woche schon bei 19,6. Zuletzt wurde die Variante in fast jeder
zweiten analysierten Corona-Probe gefunden.