Landtag streitet über Corona-Politik und «Impfvordrängler»

Wieder steht der Landtag bei der Beratung der Corona-Politik vor
vollendeten Tatsachen. Das stößt nicht nur bei der Opposition auf
Kritik. Die Parlamentarier rügen außerdem die Verstöße gegen die
festgelegte Reihenfolge beim Impfen.

Magdeburg (dpa/sa) - Vier Tage nach Inkrafttreten der neuen
Corona-Regeln hat sich der Landtag in einer Sondersitzung mit der
Pandemie-Politik der Landesregierung befasst. Ministerpräsident
Reiner Haseloff (CDU) betonte in einer Regierungserklärung die
positive Entwicklung der vergangenen Wochen. «Die Maßnahmen wirken»,

sagte der Regierungschef mit Blick auf den seit Wochen geltenden
Lockdown. Das hätten die zuletzt deutlich sinkenden Infektionszahlen
gezeigt. «Selbst Corona-Leugner müssen das anerkennen.»

Die AfD kam erneut zu einer anderen Einschätzung und warf der
Landesregierung vor, dem Land mit den strengen Regeln mehr zu schaden
als zu helfen. Fraktionschef Oliver Kirchner forderte die
Landesregierung zum Rücktritt auf. CDU-Fraktionschef Siegfried
Borgwardt hingegen stellte die Erfolge in der Pandemie-Bekämpfung in
den Vordergrund seiner Rede und lobte die Arbeit von
Wissenschaftlern, medizinischem Personal und Lehrkräften in der
Krise. Seine Fraktion hoffe auf eine möglichst baldige Öffnung
weiterer Wirtschaftsbereiche. Dabei dürfe man die Bedürfnisse
ländlicher Gegenden nicht aus dem Blick verlieren, forderte
Borgwardt.

Auch die Linke forderte Öffnungsperspektiven für die Wirtschaft,
erneuerte aber vor allem ihre Forderung nach einer stärkeren
Beteiligung des Parlaments an der Corona-Politik. Eine nachträgliche
Regierungserklärung sei keine Parlamentsbeteiligung, kritisierten die
Fraktionschefs Thomas Lippmann und Eva von Angern. «Nichts davon war
neu, der Erkenntnisgewinn war äußerst gering - das hat mit
Parlamentsbeteiligung wirklich nichts zu tun», sagte Lippmann.

Von Angern forderte, die von der Landesregierung angekündigte
Pandemie-Strategie für die kommenden Wochen, den sogenannten
Sachsen-Anhalt-Plan 2021, im Parlament zu beraten, bevor die
Landesregierung ihn beschließt. «Wir sind gewählt um zu entscheiden
»,
sagte von Angern. Die Bund-Länder-Runden, in denen die Corona-Regeln
seit nunmehr fast einem Jahr ausgehandelt werden, hätten anders als
das Parlament keinen Verfassungsrang und stellten eine «bisher nicht
gekannte Machtkonzentration» bei der Exekutive dar.

Unterstützung bekamen die Linken von den mitregierenden Grünen. «Es
kann nicht sein, dass wesentliche Grundrechtseinschränkungen über
Monate nur auf dem Verordnungswege herbeigeführt werden», kritisierte
Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. «Hier muss es verbindliche

Beteiligungsmöglichkeiten der gewählten Abgeordneten geben.»

Neben der Corona-Politik und ihrem Zustandekommen thematisierten
mehrere Abgeordnete die sogenannten «Impfvordrängler». In
Sachsen-Anhalt waren in den letzten Wochen mehrere Verstöße gegen die
festgelegte Reihenfolge der Corona-Impfungen durch Kommunalpolitiker
bekannt geworden. «Dass man sich nicht vordrängelt, gehört eigentlich

zu den grundlegenden Kulturtechniken, die man schon im frühesten
Kindesalter lernt», sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle auf einer
Sondersitzung des Parlaments am Donnerstag. «Dabei ist es egal, ob es
um einen Platz im Bus oder um einen Platz auf der Warteliste geht.»

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hatte eingeräumt,
dass er selbst und mehrere Verwaltungsangestellte schon geimpft
worden waren, obwohl sie nicht zur höchsten Prioritätsgruppe gehören.

Danach hatte er widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wie es dazu
gekommen sei. Er habe die Öffentlichkeit mehrfach falsch informiert,
kritisierte Pähle. Das sei verwerflich und müsse disziplinarrechtlich
bewertet werden. Kommende Woche sollen der Fall aus Halle und weitere
Verstöße Thema im Innenausschuss des Landtags sein.