Immunologen und Ärzte werben für Astrazeneca-Impfstoff

Impfen und Testen - aus dieser Kombination speist sich Hoffnung für
mehr Normalität im Leben. Wenn da nicht die Coronavirus-Varianten
wären und Skepsis gegenüber einem Impfstoff. Die Gesellschaft für
Immunologie schlägt hier einen Ausweg vor.

Berlin (dpa) - In der Diskussion um die Wirksamkeit des
Corona-Impfstoffs von Astrazeneca sind Ärzte und Immunologen bemüht,
Zweifel an dem Vakzin zu zerstreuen. Der Impfstoff sei gut und
wirksam, betonten der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus
Reinhardt, und der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für
Immunologie, Carsten Watzl. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) hatte am Mittwoch für den Impfstoff geworben, der in der
Europäischen Union als bislang einziges Vakzin neben denen von
Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen ist.

Um den Impfstoff von Astrazeneca war eine Diskussion aufgekommen -
auch nach einzelnen Rückmeldungen, dass Impfberechtigte Termine
womöglich wegen Bedenken platzen ließen. Das Astrazeneca-Präparat hat

eine geringere Wirksamkeit als die Mittel von Biontech/Pfizer und
Moderna - bezogen darauf, wie viele Geimpfte in Studien im Vergleich
zu Nicht-Geimpften erkranken. Spahn sagte in Berlin, für alle drei
Präparate gelte, dass ein sicherer und wirksamer zugelassener
Impfstoff schütze. Mit Blick auf Astrazeneca betonte Spahn, er sei
von den Zulassungsprozessen und Prüfungen überzeugt. «Und deswegen
werde ich mich zu gegebener Zeit sicherlich auch damit impfen
lassen», fügte er hinzu.

Der Immunologe Watzl sagte der «Augsburger Allgemeinen» (Donnerstag):
«Das Mittel von Astrazeneca ist ein sehr guter Impfstoff, auch wenn
die anderen noch ein bisschen besser sind.» Durch den in Deutschland
verlängerten Abstand zwischen erster und zweiter Dosis werde die
Wirksamkeit von Astrazeneca mutmaßlich auf 80 Prozent erhöht. Der
Impfstoff biete einen deutlichen Schutz vor einer Corona-Erkrankung,
der um ein Vielfaches besser sei, als wenn man nicht geimpft sei.

Das Astrazeneca-Vakzin unterscheide sich auch bei den Nebenwirkungen
kaum von den anderen Wirkstoffen, sagte Watzl weiter. «Ein
Unterschied zwischen den Impfstoffen ist, dass diese Nebenwirkungen
bei mRNA-Impfstoffen in mehr Fällen und stärker nach der zweiten
anstelle der ersten Impfung auftreten. Bei Astrazeneca ist es genau
umgekehrt.» Reaktionen des Körpers bei Impfungen seien nicht
überraschend und in der Regel Ausdruck davon, «dass der Impfstoff das
tut was er tun soll, nämlich eine Immunreaktion auszulösen».

Watzl schlug zugleich eine spätere Nachimpfung mit einem anderen
Mittel vor. «Man kann die Immunität, die man mit dem
Astrazeneca-Impfstoff ausgelöst hat, ohne Probleme mit einem
mRNA-Impfstoff später noch einmal verstärken», sagte Watzl.
Spätestens ab dem vierten Quartal stünden mehr Impfdosen zur
Verfügung als für eine zweifache Impfung der Gesamtbevölkerung nöti
g
wären, argumentierte der Dortmunder Professor. «Es wäre deshalb kein

Problem, eine dritte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nachzuholen.»

Die Grünen warfen der Regierung im Zusammenhang mit dem
Astrazeneca-Impfstoff «massive Kommunikationsversäumnisse» vor. Es
werde zu wenig erklärt, über die Wirksamkeit des Impfstoffes würden
«Schauergeschichten» erzählt. Dabei sei eine Wirksamkeit von 70
Prozent für Impfstoffe keine Seltenheit, sagte die
Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche der «Welt». Der
Linke-Gesundheitspolitiker Achim Kessler forderte in derselben
Zeitung Freiheit bei der Wahl des Impfstoffs - vorausgesetzt, es sei
genug Impfstoff für alle vorhanden.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hatte
sich gegen das Spritzen des Astrazeneca-Vakzins bei medizinischem
Personal und Pflegekräften ausgesprochen. Der Präsident der
Bundesärztekammer, Reinhardt, rief seine Kolleginnen und Kollegen
hingegen auf, sich mit diesem Vakzin impfen zu lassen. «Sie schützen
damit sich selbst und andere», sagte Reinhardt der «Neuen Osnabrücker

Zeitung» (Mittwoch). Der Astrazeneca-Impfstoff schütze wie die
Vakzine von Biontech und Moderna «nachweislich vor Ansteckung, und es
verringert das Risiko schwerer und tödlicher Verläufe», betonte der
Ärztepräsident.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer schlug eine baldige Impfung von
Bundespräsident und Kanzlerin vor, um das Vertrauen der Bürger in die
Corona-Schutzimpfungen zu stärken. «Es wäre sicherlich ein sehr
positives Signal, wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeitnah öffentlich impfen
lassen würden. Das wirkt vertrauensbildend», sagte Theurer der «Bild
»
(Donnerstag).

Neben dem Fortschritt bei den Impfungen sollen Schnelltests den Weg
aus dem Lockdown ebnen. Spahn hatte angekündigt, ab dem 1. März
sollten alle Bürger kostenlos von geschultem Personal auf das
Coronavirus getestet werden können. Ärztepräsident Reinhardt sieht
diese kostenlosen Schnelltests und speziell die vor der Zulassung
stehenden Selbsttestungen als Beitrag, damit sich wieder mehr
Menschen treffen können. Mit den Impfstoffen und den neuen
Testmöglichkeiten gebe es auf jeden Fall «allen Grund zur Hoffnung»,

sagte Reinhardt der «Passauer Neuen Presse» (Donnerstag). Natürlich
müssten die Hygieneregeln weiter beachtet werden.

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des
Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, zeigte sich
skeptischer. Es bringe bei der Pandemie-Bekämpfung nichts, «einfach
nur viele kostenlose Tests anzubieten», sagte sie den Zeitungen der
Funke Mediengruppe (Donnerstag). Notwendig seien «eine Strategie und
klare Regeln». Offen sei etwa die Frage, wie sich jene zu verhalten
hätten, «die bei sich ein positives Ergebnis feststellen».

Auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd
Landsberg, warnte vor überzogenen Erwartungen an die Tests. Man solle
nicht glauben, «ab 1. März stünden überall für alle Schnelltests
in
großer Zahl zur Verfügung», sagte er den Funke-Zeitungen. Zunächst

sei daher ein Einsatz in Kitas und Schulen sinnvoll. Grundsätzlich
seien die Tests aber ein wichtiges Hoffnungssignal für
Öffnungsperspektiven, nicht nur für Schulen und Kitas, sondern auch
für Einzelhandel, Kultur, Hotels und Gaststätten, betonte Landsberg.

Sorgen bereitet Politikern und Experten der Vormarsch vor allem der
britischen Corona-Variante, die als deutlich ansteckender gilt als
das ursprüngliche Virus. Ihr Anteil stieg laut Robert Koch-Institut
binnen zwei Wochen von 6 auf 22 Prozent. Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer (CDU) erneuerte vor dem Hintergrund in der
ARD-Sendung «Maischberger. Die Woche» seinen Appell, auf Osterurlaub
zu verzichten. Bei diszipliniertem Verhalten bis über Ostern hinaus
gebe es aber Hoffnung für den Sommer. «Dann haben wir die Chance, den
Juni, den Juli, den August und dann den September mit großer Freude
zu erleben, und danach sind wir alle hoffentlich geimpft. Dann ist
diese Pandemie sowieso viel kleiner, viel ungefährlicher als jetzt.»

Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sagte mit Blick auf die britische
Virus-Variante, die Entwicklung sei absehbar gewesen. Das sehe man
auch in anderen europäischen Ländern. Positiv sei aber, dass es dort
dennoch gelungen sei, die Fallzahlen deutlich zu senken, sagte der
Virologe vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg im
ZDF-«heute journal».