Experte: In Corona-Pandemie wollen weniger Menschen fasten

Wegen Corona darf man ja schon ganz vieles nicht. Soll man dann in
der Fastenzeit noch zusätzlich auf anderes verzichten? Die
Bereitschaft dazu sei in diesem Jahr geringer, meint ein Experte.

Trier (dpa/lrs) - In der Corona-Pandemie müssen sich die Menschen
immer wieder einschränken und auf liebgewonnene Dinge verzichten: Von
daher könne man in der gerade begonnenen Fastenzeit mit einer
niedrigeren Bereitschaft zum Fasten rechnen, sagte der Trierer
Professor für Soziologie und Experte für Konsumforschung, Michael
Jäckel, der Deutschen Presse-Agentur. «Dieses lange Fastenprogramm
seit Beginn der Corona-Pandemie wird als schon sehr dominant erlebt.
Da will man sich keine weiteren Prüfsteine auferlegen.»

Er bezog sich vorwiegend auf die weltliche Variante des Fastens, die
in den vergangenen Jahren Zulauf bekommen hat. Zum Beispiel:
«Autofasten hat sich ohnehin schon eingestellt, weil derzeit viel
weniger Auto gefahren wird», sagte der Präsident der Universität
Trier. Auf Alkohol verzichten - das könne man sich privat weiter
vornehmen, aber nicht für Kneipenbesuche, da die Gastronomie derzeit
geschlossen ist. Auch das Einkaufen sei ja limitiert.

«Außerdem machen wir alle ja gerade auch schon Begegnungsfasten»,
sagte Jäckel. Oder Mobilitätsfasten. «Die Menschen haben gerade mit
all diesen Einschränkungen schon genug zu tun.» Hinzu komme die Last,
dass das Ende des «verordneten Fastenmodus und Verzichtsmodus» nicht
erkennbar sei. Die reguläre Fastenzeit im Anschluss an Fastnacht oder
Karneval seit Aschermittwoch endet an Ostern. «Manche sagen auch, es
gab ja gar keinen Karneval, wieso sollen wir dann fasten?»

Zudem stehe den Menschen zurzeit eigentlich der Sinn nach Gestaltung.
Sie wollen Impulse geben. Noch mehr fasten werde als «noch mehr
Einschränkung» erlebt. Jäckel ging davon aus, dass die Menschen nach

der Corona-Pandemie Dinge, auf die sie lange verzichten mussten -
ähnlich wie nach dem Fasten - ganz anders wahrnehmen würden. «Ich
glaube schon, dass die Freude an den kleinen Dingen dann wieder
bewusster erlebt und auch mehr wertgeschätzt wird», sagte er.

Ein kleine Herausforderung sah er darin, dass die ungewollte
Bequemlichkeit, die sich mit Corona eingespielt habe, möglicherweise
nicht wieder rasch umgestellt werde. «Es gibt ja auch einen
Gewöhnungseffekt dieser Kalender- und Terminarmut», sagt der
Wissenschaftler. Die Frage sei, ob die Menschen danach wieder so
viele Termine wahrnehmen würden wie vorher - gerade in ihrer Freizeit
in Vereinen. «Man muss dann erst wieder aus der Cocooning-Ecke
rauskommen.»

Dass mit der Öffnung der Läden «gleich eine große Konsumwelle» ko
mmen
werde, glaubte Jäckel nicht. Er gehe davon aus, dass der Konsum durch
die Krise insgesamt «geerdeter» geworden sei. Dies sehe man auch an
der gestiegenen Neigung der Deutschen zu sparen.