Video aus fürs Klima: Wie man die CO2-Bilanz im Netz verbessern kann Von David Hutzler, dpa

Im Lockdown steigt der Datenverkehr enorm an. Und damit rückt auch
der CO2-Ausstoß durch Videokonferenzen, Streaming und Co. in den
Fokus. Forscherinnen erklären, wie man gegensteuern kann.

Berlin (dpa) - Meetings, Familientreffen, der Spieleabend mit
Freunden - das alles findet seit einem knappen Jahr vorwiegend per
Videokonferenz statt. Und wer den Lockdown-Blues schiebt, lenkt sich
mit einem abendlichen Netflix-Marathon ab. Eine Begleiterscheinung
dieser Entwicklung ist die Debatte um die Umweltfolgen von Streaming
und Co. Doch wie groß ist der ökologische Fußabdruck wirklich? Und

wie lässt sich gegensteuern?  

Die Zahlen sind zunächst schwindelerregend. 32 Exabyte Datenverkehr -
also 32 Trillionen Byte - wurden im Jahr 2020 am nach eigenen Angaben
weltgrößten Internetknoten DE-CIX in Frankfurt gemessen. Das
entspreche einem acht Millionen Jahre andauernden Video-Anruf, heißt
es von dort. Insbesondere in den Bereichen Homeoffice, Streaming und
Videospiele seien die Datenmengen gestiegen. Und im März 2020 wurde
mit 9 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde ein Rekord verzeichnet - der
im November mit 10 Terabit pro Sekunde noch mal übertroffen wurde.
Das hat Folgen.

In einer Modellstudie haben US-Forscher berechnet, dass die weltweite
Internetnutzung zuhause im Zuge der Corona-Pandemie um 15 bis 40
Prozent gestiegen ist. Der damit verbundene zusätzliche
Energieaufwand in den Rechenzentren und für die Datenübertragung sei
für bis zu 3,2 Millionen zusätzliche Tonnen CO2-Äquivalente
verantwortlich, heißt es in der im Januar erschienen Studie «The
overlooked environmental footprint of increasing Internet use». Das
ist mehr, als ein Land wie Montenegro pro Jahr ausstößt (Stand 2016).

Wen nun beim Serien-Marathon das schlechte ökologische Gewissen
plagt, für den haben die Autorinnen und Autoren konkrete Tipps parat.
Würde man etwa vier Stunden lang Videos in HD-Qualität pro Tag
streamen, entspräche das einem monatlichen Ausstoß von 53 Kilogramm
CO2-Äquivalenten. Wer von HD- auf Standard-Qualität wechsle, drücke
diesen Wert auf 2,5 Kilogramm - und spare etwa soviel ein, wie 150
Kilometer Autofahrt ausmachten.

Auch für die täglichen Videokonferenzen hat die Studie Zahlen parat.
Wer beispielsweise 15 Meetings von einer Stunde pro Woche habe, komme
auf einen monatlichen Ausstoß von 9,4 Kilogramm. Mit ausgeschaltetem
Video sinke dieser Wert auf 377 Gramm. Die eingesparten Emissionen
seien etwa mit denen vergleichbar, die entstünden, wenn man ein
Smartphone für über drei Jahre jede Nacht auflade.

Wichtig ist, dass es sich dabei um einen globalen Mittelwert handelt.
Davon auf einzelne Länder wie Deutschland zu schließen, sei jedoch
schwierig, sagt die an der Studie beteiligte Umweltingenieurin Renee
Obringer. «Es kann sein, dass Sie mit einem Server in China oder den
USA verbunden sind, wenn Sie in Berlin ein Video online ansehen.» Es
mache jedoch einen Unterschied, wie der Strommix in einzelnen Ländern
zusammengestellt sei und wie modern die Übertragungssysteme seien.

Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) sind insbesondere die
Übertragungswege zentral. Ein Videostream in HD-Qualität per
Glasfaserkabel sei mit knapp zwei Gramm CO2-Ausstoß pro Stunde etwa
50 mal effizienter als eine Übertragung per UMTS, also dem
G3-Datennetz. «Bei Glasfaser hat man unterwegs kaum Verluste»,
erklärt Marina Köhn. Sie leitet das Forschungsvorhaben «Green
Cloud-Computing» des UBA in Kooperation mit dem Fraunhofer IZM. Das
liege daran, dass größere Datenmengen per Glasfaser über eine grö
ßere
Distanz ohne Verstärkung übertragen werden können. Der Anteil der
Rechenzentren an der CO2-Bilanz des Videostreaming sei im Vergleich
zur Übertragung «überraschend gering».

«Im Vergleich zu vielen modellbasierten Studien basiert unsere
Berechnungsmethode auf realen Daten aus einem Rechenzentrum», erklärt
Köhn das Vorgehen der UBA-Studie. Bislang sei das nur bei
Videostreaming-Anbietern möglich gewesen, Ergebnisse sollen in den
kommenden Wochen veröffentlicht werden. Auch zum Thema
Videokonferenzen laufe eine Studie - hier müssten aber noch Daten
erhoben werden. Generell könne man aber sagen: Um CO2 einzusparen sei
es immer eine gute Idee, die Videoqualität herunterzustellen.

Doch trotz der Zahlen zum Energieverbrauch von
Videostreaming: Klimafreundlicher als lange Anreisen sind die
Konferenzen allemal. Schon ab fünf Kilometer Anfahrtsweg mit dem Auto
sind Videokonferenzen klimafreundlicher, rechnet eine am Donnerstag
vorgestellte Studie vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem
Borderstep Institut vor.

Und eine Dienstreise von zwei Personen per Bahn - dem
klimafreundlichsten der betrachteten Verkehrsmittel - von Berlin nach
Stuttgart verursache rund 65 Kilogramm CO2, erklärt Studienautor Jens
Clausen. Würden sich hingegen vier Personen für vier Stunden per
Video treffen, fielen für Rechenzentrum, Kommunikationswege und
Endgeräte rund ein Kilogramm an.

Sollten nach Ende der Corona-Pandemie wie von der Studie erwartet
rund ein Drittel der Dienstreisen in Deutschland wegfallen und durch
Videokonferenzen ersetzt werden, wäre der Effekt fürs Klima
enorm: Auf rund drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr schätzt
das Borderstep Institut die möglichen Einsparungen. Damit wären wir
wieder bei dem jährlichen Ausstoß von Montenegro.