Große Sorge in Flensburg - Virusvariante breitet sich aus Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa

Die britische Virusvariante breitet sich in Flensburg rasant aus. Vor
einem Monat wurde ihre Existenz erstmals in der Stadt bestätigt. Der
Lockdown wirkt damit nur noch begrenzt.

Flensburg (dpa/lno) - Lange Zeit hat es in Flensburg relativ wenige
Corona-Fälle gegeben. Doch seit Mitte Januar - mitten im Lockdown -
steigen die Infektionszahlen erheblich. Mittlerweile rangiert die
Stadt an der dänischen Grenze mit 181,9 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner binnen sieben Tagen auf Platz sieben der deutschen Kreise
und kreisfreien Städte. Als Ursache wird die Verbreitung der in
Großbritannien entdeckten Variante B.1.1.7 vermutet.

Diese Mutante wurde erstmals am 15. Januar in Flensburg nachgewiesen.
Mittlerweile lässt sich nach Angaben der Stadt etwa ein Drittel aller
seit Mitte Januar bestätigten Fälle auf sie zurückführen. Am Mittwo
ch
(Stand: 11.00 Uhr) betrug die Zahl der vordiagnostizierte Meldungen
283 Fälle. «Es ist beunruhigend», sagte Stadtsprecher Clemens
Teschendorf.

Auch bundesweit breitet sich die in Großbritannien entdeckte Variante
des Coronavirus schnell aus. Nach neuen Daten des Robert
Koch-Instituts (RKI) stieg ihr Anteil an den untersuchten positiven
Proben binnen zwei Wochen von knapp 6 auf mehr als 22 Prozent, wie
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte.

Das Flensburger Corona-Geschehen ist nach Ansicht des Leiters der
Landesmeldestelle, Helmut Fickenscher, ursprünglich vor allem auf
Aktivitäten einer größeren Personalvermittlungsfirma zurückzuführ
en.
«Diese haben mehrere größere Betriebe im Raum Flensburg und auch in
Dänemark betroffen», sagte der Infektionsmediziner der Deutschen
Presse-Agentur. «Und das hat sich in der Bevölkerung in Flensburg und
in angrenzenden Gebieten des Kreises Schleswig-Flensburg
fortgesetzt.» Betroffen seien vor allem Menschen im Umfeld
infizierter Beschäftigter dieser Firmen.

Laut Stadt konnte im Januar ein Großteil der Neuinfektionen noch auf
eine illegale Silvesterfeier in Dänemark zurückgeführt werden, an der

auch mehrere Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen teilnahmen, die in
Flensburg wohnen. Mittlerweile sei das Ausbruchsgeschehen deutlich
diffuser. «Wir haben ganz, ganz viele Stellen, wo das Virus
auftaucht», berichtete Teschendorf. Selbst Fälle, die auf den ersten
Blick zusammengehören, tun dies nicht unbedingt. So gab es kürzlich
beispielsweise in einem Flüchtlingswohnheim sechs Fälle aus drei
verschiedenen Strängen.

Noch am 16. Dezember meldete Flensburg 394 nachweislich Infizierte
seit Beginn der Pandemie. 333 von Ihnen galten als bereits genesen.
Die Sieben-Tages-Inzidenz lag bei 51. Zwei Monate später, am
16. Februar, registrierte die Stadt 1360 nachweislich Infizierte,
davon 552 aktive Fälle. Die Sieben-Tages-Inzidenz hat sich mehr als
verdreifacht und war zwischenzeitlich sogar noch höher. Die
Virusvariante sei deutlich ansteckender und gefährlicher, warnte
Teschendorf. Die Menschen müssten verstärkt auf das Einhalten von
Abständen und der anderen Corona-Regeln halten, die auch gegen die
mutierten Viren hülfen.

Auch der Geschäftsführer des Flensburger St. Franziskus-Hospitals,
das schwerpunktmäßig die Behandlung von Corona-Patienten im
nördlichen Landesteil übernommen hat, ist in Sorge. Die
Krankenhauskapazitäten seien durch das einsetzbare klinische Personal
begrenzt, sagte Klaus Deitmaring. «Die Mutation wird uns ohne
wirkungsvolle Maßnahmen in vier Wochen an unsere
Versorgungskapazitätsgrenzen führen.» Diese Situation stelle eine
erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung im gesamten Grenzland und
konkret für die Flensburger Krankenhausversorgung dar.

Aktuell werden in den speziell für Covid-19-Patienten eingerichteten
Isolier-Bereichen des Krankenhauses 29 Menschen behandelt; 7 werden
wegen eines Corona-Verdachts versorgt, bei 22 wurde das Coronavirus
nachgewiesen. Deitmaring bereitet Kopfzerbrechen, dass die
Covid-Patienten deutlich jünger werden und auch nicht immer unter
Vorerkrankungen litten. Zudem gebe es häufiger schwere
intensivmedizinische Verläufe.

Um das Geschehen einzudämmen, hat Flensburg bereits vor Tagen die
Corona-Regeln verschärft. So darf etwa nur noch eine Person pro
Haushalt Einkaufen gehen. Auch die Besuchsregeln in Alten- und
Pflegeheimen wurden verschärft; Schulen und Kindergärten öffnen
zunächst nicht.

Auch der benachbarte Kreis Schleswig-Flensburg will die Schulen und
Kitas am liebsten zunächst geschlossen halten. «Viele
Flensburger*innen besuchen im Kreisgebiet Schulen und Kindergärten»,
sagte Landrat Wolfgang Buschmann. Im Kreisgebiet stiegen die
Erkrankungen an der ansteckenderen Virus-Variante B.1.1.7. Angaben
von Mittwoch zufolge wurden bisher insgesamt 44 Fälle der britischen
Variante nachgewiesen.