Kampf den Mutanten: Von der Leyen will rasch angepasste Impfstoffe

Vor allem in Deutschland musste sich EU-Kommissionschefin Ursula von
der Leyen einiges anhören, weil es vorerst zu wenig Corona-Impfstoff
gibt. Jetzt will sie wieder in die Offensive kommen.

Brüssel (dpa) - Nach heftiger Kritik an ihrer Impfstoffstrategie
macht EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen jetzt Tempo bei der
Bekämpfung der gefürchteten Varianten des Coronavirus. Sie
präsentierte am Mittwoch einen Aktionsplan, um rasch ausreichend
Impfstoff gegen die sich ausbreitenden Mutanten zur Verfügung zu
haben. Zugleich orderte die Kommission nochmals bis zu 300 Millionen
Impfdosen vom US-Hersteller Moderna.

Von der Leyen war vor allem in Deutschland scharf kritisiert worden,
weil die Kommission für die Beschaffung von Corona-Impfstoffen
zuständig ist und die Mittel vorerst knapp sind. Die
Kommissionschefin verteidigte den Ankauf von nun insgesamt 2,6
Milliarden Impfdosen für die 450 Millionen Europäer nochmals als
«sehr erfolgreich». Doch gelte es, vor der Welle zu bleiben: «Neue
Varianten des Virus entwickeln sich schnell, aber wir müssen in
unserer Reaktion noch schneller sein.»

Ihr Aktionsplan namens «Hera Incubator» setzt an drei Stellen an:
Entdeckung der mutierten Viren, schnelle Entwicklung und Zulassung
von Impfstoffen und Ausbau der Impfstoffproduktion in der EU. So will
die Kommission 75 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Tests und
den Ausbau der Genom-Sequenzierung stecken, die die Varianten
aufspüren kann. Zur Erforschung der Virusvarianten sollen noch einmal
150 Millionen Euro hinzu kommen. Ein Netzwerk aus 16 EU-Staaten und
fünf weiteren Ländern namens «Vaccelerate» soll klinische Tests
beschleunigen, auch bei Kindern und Jugendlichen.

Für eine schnellere Zulassung von angepassten Impfstoffen sollen
Regeln vereinfacht werden. Die Kommission bringt auch eine gemeinsame
Notfallzulassung auf EU-Ebene ins Gespräch, bei der die EU-Staaten
das Haftungsrisiko gemeinsam tragen würden. Dritter Schwerpunkt des
ist der Ausbau der Produktion. Die Kommission will helfen, mögliche
Lieferengpässe unter anderem bei Rohstoffen zu beheben. Zur Debatte
stellt die Kommission einen «freiwilligen Lizensierungsmechanismus»
zum Technologietransfer.

Langfristig soll eine neue Behörde namens Hera (Health Emergency
Response Authority) die EU gegen sogenannte biologische Gefahren
wappnen. Das Programm ist eine Art Vorstufe - Incubator heißt auf
Deutsch Brutkasten.

Mit Blick auf die Mutationen soll das Impftempo erhöht werden, wie
von der Leyen sagte. Bisher sind nach ihren Worten 22 Millionen
Menschen in der EU gegen das Coronavirus geimpft worden, davon 7
Millionen zweimal. 33 Millionen Impfdosen seien an die EU-Staaten
ausgeliefert worden. Der Mangel an Impfstoffen soll sich schrittweise
verringern. Industriekommissar Thierry Breton berichtete, dass auch
Astrazeneca bei der Überwindung seiner Lieferprobleme vorankomme.

Die Nachbestellung von bis zu 300 Millionen Impfdosen vom
US-Hersteller Moderna könnte ebenfalls helfen. Nach Angaben aus
Kommissionskreisen sollen 150 Millionen Dosen noch dieses Jahr
geliefert werden. Zudem besteht eine Option auf weitere 150 Millionen
Dosen für 2022. Der neue Vertrag ergänzt die ursprüngliche Bestellung

von 160 Millionen Impfdosen bei Moderna. Der Impfstoff ist bereits in
der EU zugelassen und nach klinischen Tests hochwirksam.

Die letzte Hürde nahm am Mittwoch zudem die bereits im Januar
öffentlich gemachte Nachbestellung von bis zu 300 Millionen Impfdosen
bei Biontech/Pfizer. Bei beiden Zusatzverträgen seien bereits die
Möglichkeit von Virusvarianten mitgedacht worden, sagte von der
Leyen. Den Wert aller bisher geschlossenen EU-Impfverträge gab sie
mit insgesamt 33 Milliarden Euro an.

Neben dem Impfstreit gibt es inzwischen einen weiteren Konflikt
zwischen Brüssel und Berlin über die von Deutschland verhängten
Grenzkontrollen, die die Verbreitung der mutierten Coronaviren
bremsen soll. Von der Leyen erinnerte an gemeinsam getroffene
Vereinbarungen der EU-Staaten. «Wenn man in der Krise schaut, wo sind
die größten Schwierigkeiten, dann, wenn wir uns an die gemeinsamen
Beschlüsse nicht halten», sagte die CDU-Politikerin. «Das Virus hat
uns gelehrt, dass es durch geschlossene Grenzen nicht aufgehalten
wird.» Stattdessen sehe man Störungen an den Grenzen.