Landtag ringt angesichts unklarer Infektionslage um Corona-Kurs

Trotz eines Stufenplans der Landesregierung als Leitfaden für den
erhofften Ausstieg aus dem Lockdown ist der weitere Corona-Kurs in
Niedersachsen offen. Der Landtag debattiert zwar über Aspekte einer
Lockerungsstrategie, die Infektionslage aber macht Sorgen.

Hannover (dpa/lni) - Angesichts einer unklaren Infektionslage hat der
Landtag in Hannover bei seiner Debatte über den Corona-Kurs noch
keinen Ausweg aus der Krise abstecken können. Während die Zahl der
Infektionsfälle in Deutschland zurückgehe, trete Niedersachsen in den
letzten Tagen auf der Stelle und lokale Ausbrüche beschäftigten die
Behörden, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwoch in
einer Regierungserklärung im Parlament. Außerdem dürfe man sich von
sinkenden Infektionszahlen nicht täuschen lassen, da von Mutationen
ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko ausgehe. Zu dem verlängerten
Lockdown und weiterer Vorsicht gebe es deshalb keine Alternative.

Dennoch mahnte Weil für die nächste Bund-Länder-Beratung zum
Corona-Kurs einen gemeinsamen Stufenplan für mögliche Lockerungen
oder Verschärfungen in der Krise an. «Meine klare Erwartung an die
nächste Bund-Länder-Runde am 3. März ist, dass dazu ein
substanzieller Vorschlag auf dem Tisch liegt.» Die Bürger erwarteten
eine klare Orientierung gerade auch in unsicheren Zeiten. Der von der
Landesregierung bereits vorgelegte Entwurf eines Stufenplans
beinhaltet ein Ampelsystem für Lockerungen, aber auch eventuell
nötige Verschärfungen bei einer Verschlechterung der Lage. Er sieht
sechs Stufen je nach Intensität der Infektionslage vor.

Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg mahnte einen
energischeren Kurs in der Krise an. «Eine Vision oder Perspektive,
wie das Leben mit dem Virus aussehen könnte - Fehlanzeige.» Die
Regierung hinke einen Schritt hinterher. Der vorgelegte Stufenplan
sei zwar sinnvoll, ersetze aber keine Gesamtstrategie. Laut Hamburg
wären mehr Lockerungen möglich, wenn man verstärkt Aktivitäten im
Freien ins Auge fasse. Aber noch immer gebe es keinen Überblick über
die Ausbreitung von Virusvarianten in Niedersachsen und es gebe keine
Schnellteststrategie. «Die spannende Frage ist, was wollen Sie gegen
Mutationen tun?»

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder betonte, dass es
angesichts der Infektionslage im Moment keine Alternative zu den
verhängten Kontaktbeschränkungen gebe. Anders als im
Bundesdurchschnitt verschlechtere sich die Lage in Niedersachsen
momentan. In der Region Hannover etwa seien bereits 40 Prozent der
Infektionen auf Corona-Mutationen zurückzuführen. Man befinde sich in
der schwierigsten Phase der Pandemie und müsse vorsichtig bleiben.
Der von der Landesregierung vorgelegte Stufenplan müsse zur Blaupause
für ganz Deutschland werden, meinte Modder.

Eine nachhaltige Strategie in der Krise ohne wiederkehrende Lockdowns
forderte der FPD-Fraktionschef Stefan Birkner. Der Stufenplan sei
dazu ein guter Ansatz. Allerdings müsse man differenzierter vorgehen
und zu einer Gesamtabwägung kommen - auch unter Berücksichtigung
wirtschaftlicher und sozialer Folgen. Örtliche Infektionshäufungen
müssten aus der Gesamtschau herausgehalten und auch der
Impffortschritt berücksichtigt werden, sagte Birkner. Außerdem müsse

die Landesregierung viel aktiver die Pandemie bekämpfen, etwa mit dem
Erstellen von Hygienekonzepten, um wieder mehr wirtschaftliches und
kulturelles Leben zu ermöglichen.

Zu oberflächlich begründet und pauschal schränke die Landesregierung

Freiheitsrechte ein, monierte Birkner. Der bloße Verweis auf
Unsicherheiten mit Blick auf Mutationen, deren Verbreitung noch immer
nicht untersucht sei, reiche nicht aus. Darauf wiesen inzwischen auch
Gerichte hin.

Der AfD-Abgeordnete Klaus Wichmann warf dem Ministerpräsidenten vor,
in der Corona-Krise planlos ein ganzes Land wirtschaftlich zu
ruinieren. «Was Sie machen, ist Salami-Taktik», sagte Wichmann.
«Geben Sie den Menschen endlich eine Gesamtperspektive.»

CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer mahnte eine Debatte über den
künftigen Umgang mit Geimpften und Nicht-Geimpften an. «Unterstellt,
dass wir noch Monate, vielleicht Jahre mit Kontaktbeschränkungen
leben müssen, werden wir uns mit der Frage beschäftigen müssen, ob
wir Menschen, die bereits geimpft worden sind und solche, die noch
nicht geimpft worden sind, unterschiedlich behandeln wollen», sagte
Toepffer.

«Und nicht nur Gastronomen und Reiseveranstalter werden fragen, warum
sie nicht wenigstens mit dieser Gruppe von Menschen die Geschäfte
wieder aufnehmen können.» Er persönlich habe ein Problem mit einer
solchen Bevorzugung, räumte Toepffer ein. Aber: «Wir werden dieser
Diskussion nicht ausweichen können.»