Curevac-Gründer Hoerr: Ein Leben zwischen Molekülen und Indien Von Tatjana Bojic, dpa

In die Wiege gelegt waren Curevac-Gründer Ingmar Hoerr
Naturwissenschaften nicht. Der Vater ein Schlossermeister, die Mutter
Hausfrau, der Junge kommt aufs Gymnasium über die Realschule. Jetzt
darf er sich Pionier nennen.

Tübingen (dpa/lsw) - Privat ist Indien ganz sein Ding. Der Gründer
des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac, Ingmar Hoerr, reist nach
Abitur und Zivildienst als Rucksacktourist das erste Mal dorthin.
«Drei Monate war ich dort und bin seither ein Fan des Landes»,
erzählt der 52-Jährige Biologe. Was ihn an Indien reizt? «Es ist
immer wieder eine Zeitreise, eine ganz andere Welt. Indien ist ganz
tief.»

Die andere Leidenschaft von Hoerr sind Naturwissenschaften. Am
beruflichen Gymnasium in Nürtingen macht Hoerr Abitur in den
Leistungsfächern Chemie und Biologie und bleibt dieser Richtung
beruflich treu. Doch zwischen seiner Forschung mit Molekülen ist
immer wieder Indien angesagt. Mehrmals hat Hoerr das Land bereist.
Wäre seine schwere Erkrankung vor knapp einem Jahr nicht
dazwischengekommen, wäre er jetzt auch wieder in Indien. Noch immer
erholt sich Hoerr von einer Hirnblutung und einem mehrwöchigen Koma.
Seinen erst im Frühjahr 2020 angetretenen Posten als
Vorstandsvorsitzender gibt er im Sommer an Franz-Werner Haas ab.

«Es ist nicht leicht für mich gewesen, aber ich kann das Dilemma in
meinem Leben akzeptieren und meinen Frieden damit schließen. Ich
hadere nicht. », sagt Hoerr. Mit Haas eint Hoerr ein «Teamspirit»,
sie sind befreundet. So gut, dass sie bei einer gemeinsamen Wanderung
in Alaska und tiefen Gesprächen auch existenzielle Themen ansprechen.
«Ich habe damals zu Franz gesagt: Wenn mir etwas passiert kannst du
übernehmen?», erinnert sich Hoerr. Und so kam es.

In die erste Reihe des Unternehmens drängt es Hoerr nun nicht mehr
zurück. «Ich habe nicht den Drang danach und sehe darin auch keinen
Mehrwert.» Er sieht seine Aufgabe unter anderem in der medialen
Unterstützung von Curevac, denn: «Es ist eine Revolution, die
stattfindet». Hoerr ist der Entdecker der neuen Impftechnik. Als
Doktorand spritzt er Mäusen DNA und nimmt zur Gegenkontrolle die
«kleine Schwester», das Botenmolekül RNA. Doch das Ergebnis zeigt,
die RNA liefert eine viel bessere Immunantwort. «Keiner hat bis dahin
das Potenzial von RNA erkannt. Ich war der Funken», sagt Hoerr. Im
Jahr 2000 gründet er das Start-up Curevac und sucht verzweifelt nach
Geldgebern.

An dem Unternehmen beteiligt ist mittlerweile Milliardär und
SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, die Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung und
die Förderbank KfW. Derzeit entwickelt Curevac einen Impfstoff gegen
das Coronavirus. Er basiert wie die Impfstoffe von Biontech und
Moderna auf sogenannter «messenger RNA» (Boten-RNA).

Hoerr, inzwischen auch Ehrenbürger der Stadt Tübingen, hat Zwillinge
- zwei Jungs -, ist verheiratet und lebt in der Universitätsstadt.
Als seine wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale bezeichnet er Loyalität
sowie Abenteuer- und Entdeckerlust. Als Jugendlichem hätten ihm
Bücher von Rüdiger Nehberg (Überlebensexperte) und Rollo Gebhard
(Einhandsegler) «extrem» Kraft gegeben. «Ich versuche immer, den
Mainstream zu vermeiden.» Sein Lebensmotto laute «Leben und leben
lassen.»