Impfstreit: Von der Leyen will rasch Vakzine gegen Corona-Varianten

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen musste sich vor allem
in Deutschland einiges anhören, weil vorerst wenig Corona-Impfstoff
zur Verfügung steht. Nun will sie wieder in die Offensive kommen.

Brüssel (dpa) - Nach heftiger Kritik am Impfstoffmangel in Europa
ergreift EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Initiative im
Kampf gegen die gefürchteten Varianten des Coronavirus. Ziel ist es,
möglichst rasch angepasste Impfstoffe gegen die mutierten Viren in
großen Mengen zur Verfügung zu haben. Den Plan will von der Leyen am
Mittwoch (gegen 12.00 Uhr) in Brüssel vorstellen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur umfasst er im
wesentlichen fünf Punkte: die schnelle Entdeckung der mutierten Viren
durch Genom-Sequenzierung, die rasche Anpassung der Corona-Impfstoffe
an die Mutanten, die Gründung eines europäischen Netzwerks für
klinische Tests, die beschleunigte Zulassung der angepassten
Impfstoffe sowie verkürzte Genehmigungsverfahren für neue oder
umgewandelte Impfstofffabriken und Hilfen zur raschen
Produktionsausweitung.

Für das Programm namens «Hera Incubator» will die Kommission nach
dpa-Informationen unter anderem 150 Millionen Euro zur Erforschung
der Virusvarianten locker machen. Weitere 75 Millionen Euro sollen
helfen, die Genom-Sequenzierung in den EU-Staaten auszubauen, damit
mindestens 5 Prozent der positiven Corona-Tests genauer auf Mutanten
untersucht werden können.

Auch das Netzwerk für klinische Tests von Impfstoffen - genannt
Vaccelerate - soll von der EU finanziell unterstützt werden. Zweck
ist die Beschleunigung der Tests von Vakzinen gegen mutierte
Coronaviren an Freiwilligen. Vernetzen sollen sich dafür EU-weit
Wissenschaft, Industrie und Behörden. Die EU-Arzneimittelagentur EMA
soll ebenfalls mitwirken.

Langfristig soll eine neue Behörde namens Hera (Health Emergency
Response Authority) die EU gegen sogenannte biologische Gefahren
wappnen. Das Programm ist eine Art Vorstufe - Incubator heißt auf
Deutsch Brutkasten.

Von der Leyen war vor allem in Deutschland scharf kritisiert worden,
weil die EU-Kommission für den Ankauf von Corona-Impfstoffen
zuständig ist und die Mittel derzeit überall in der EU knapp sind.
Die Kommissionschefin hat bereits Versäumnisse eingeräumt: Die EU sei
bei der Zulassung der Vakzine spät dran gewesen, zu optimistisch über
die Massenproduktion und zu sicher, dass Hersteller pünktlich liefern
würden. Aus den Fehlern sollen nun Lehren für die nächste Etappe
gezogen werden.

Beim Impfstoff könnte sich die Lage in einigen Wochen etwas
entspannen. Am Dienstag teilte die EU-Arzneimittelbehörde EMA mit,
dass auch der Hersteller Johnson & Johnson eine europäische Zulassung
für sein Corona-Vakzin beantragt habe. Über den Antrag soll bis Mitte
März entschieden werden. Von dem Impfstoff hat die EU-Kommission
Mengen für mindestens 200 Millionen Menschen geordert. Das Besondere
ist, dass er voraussichtlich nur einmal gespritzt werden muss.

Neben dem Impfstreit gibt es inzwischen einen weiteren Konflikt
zwischen Brüssel und Berlin über die von Deutschland verhängten
Grenzkontrollen, die die Verbreitung mutierter Coronaviren bremsen
soll. Die Kommission kritisiert dies, weil damit die verbriefte
Bewegungsfreiheit und der Warenverkehr im Binnenmarkt eingeschränkt
werden. Vor allem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich
die Einwände aus Brüssel in scharfem Ton verbeten.