Technik oder einfach Fenster auf - Was schützt Schüler gegen Corona? Von Michael Kirner, dpa

Viele Familien werden aufatmen: Im verlängerten Lockdown gibt es
regional Ausnahmen für Schulen und Kitas. Was sorgt dort am
wirksamsten für virenfreie Luft?

Berlin (dpa) - Im Kampf gegen das Coronavirus sind die meisten
Schulen in Deutschland - abgesehen von einer Notbetreuung - seit
Mitte Dezember geschlossen. Noch im Februar sollen sie nach dem
Wunsch vieler Bundesländer nun schrittweise wieder öffnen. Doch wie
steht es mit der Infektionsgefahr? Sind mobile Luftreiniger eine
Lösung oder reicht der altmodische Griff zum Fenster? Ein
Faktencheck:

BEHAUPTUNG: In Klassenzimmern schützen mobile Luftfiltergeräte
effizient gegen eine drohende Infektion mit Coronaviren.

BEWERTUNG: Forscher haben herausgefunden, dass Stoßlüften wesentlich

wirksamer ist. Sie empfehlen mobile Luftreiniger nur im Ausnahmefall.
Als Ergänzung und langfristige Lösung seien fest installierte
Lüftungsanlagen in Schulen sinnvoll.

FAKTEN: Angesichts der Corona-Pandemie preisen zahlreiche Hersteller
mobile Luftreiniger als ideale Lösung für öffentliche Räume an.
Luftreiniger mit sogenannten Hepa-Filtern («High Efficient
Particulate Air») sammeln Viruspartikel aus der hindurchströmenden
Luft. In einigen Klassenzimmern sind die Geräte schon im Einsatz.

Wissenschaftler aber zeigen sich skeptisch: «Der Einsatz von mobilen
Luftreinigern allein ist kein Ersatz für ausreichendes Lüften an
Schulen», stellt die Kommission Innenraumlufthygiene (IRK) beim
Umweltbundesamt (UBA) fest. «Mobile Luftreiniger wälzen die Raumluft
lediglich um und ersetzen nicht die notwendige Zufuhr von Außenluft.»
Der Kommission gehören mehr als 20 Experten aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz an.

Um die Infektionsgefahr über Aerosole in der Luft zu verringern, ist
regelmäßiges Stoßlüften über weit geöffnete Fenster das Maß a
ller
Dinge, wie die Kommission erläutert. Denn erstens sei die Wirksamkeit
mobiler Luftreinigungsgeräte bislang nicht eindeutig nachgewiesen.
Zweitens beseitige die Technik nicht die in Klassenzimmern übliche
Anreicherung von Kohlendioxid (CO2), das für Müdigkeit und
Konzentrationsschwäche sorgt.

«Lüften funktioniert nun mal am besten», sagte UBA-Präsident Dirk
Messner der Deutschen Presse-Agentur. Viele Menschen hofften in der
Corona-Pandemie zwar auf technische Lösungen, Luftreiniger könnten
aber dazu verführen, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. «Lüften
ist die einfachste und wirksamste Maßnahme, um Viren aus der Luft in
Klassenzimmern zu entfernen.»

Eine Untersuchung aus Hessen bestätigt diese These: In einem nicht
genutzten Klassenzimmer einer Wiesbadener Schule verglichen Forscher
der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) die Wirkung von
Luftfiltergeräten mit der von Lüften. Dafür wurden freigesetzte
Aerosole per Ventilator im Raum verteilt. Ein grundlegendes
Ergebnis: Die Öffnung aller Fenster für drei Minuten bei
Außentemperaturen von 7 bis 11 Grad senkte die Konzentration an
Aerosolen bis zu 99,8 Prozent.

Mit vier mobilen Luftfiltergeräten sei hingegen erst nach etwa 30
Minuten eine um nur 90 Prozent verringerte Konzentration gemessen
worden. Die Wissenschaftler verweisen zudem auf den störenden Lärm
der Geräte sowie die hohen Anschaffungskosten.

Sollten sich Fenster allerdings nicht ausreichend weit öffnen lassen
und auch keine Zu- und Abluftanlagen eingebaut werden können, kämen
Luftreiniger «als flankierende Maßnahme zur Minderung eines
Infektionsrisikos» in Frage, erklären die Experten des
Umweltbundesamtes. Dabei setzen sie jedoch weniger auf mobile als auf
zentral oder in einzelnen Räumen fest installierte Geräte.

«Fest installierte Lüftungsanlagen sind auch nach der Corona-Pandemie
noch von großem Nutzen», meint UBA-Präsident Messner. Anders als
viele mobile Luftreiniger verursachten sie nur geringe Geräusche und
ließen sowohl die Menge an Krankheitserregern als auch an
Kohlendioxid und ausgedünsteten Schadstoffen sinken. Außerdem seien
fest installierte Anlagen aus Gründen der Nachhaltigkeit und des
Umweltschutzes empfehlenswert.

Klar ist laut Umweltbundesamt aber, dass weder Stoßlüften noch
Lüftungsgeräte eine Infektion komplett verhindern können - und die
üblichen Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus auch im Klassenzimmer
erforderlich bleiben: Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen.