Familienminister: Ab 22. Februar wieder Kindertagesbetreuung für alle

Die Corona-Neuinfektionszahlen sinken. Jetzt peilt NRW auch in den
Kitas Öffnungsschritte an - mit Vorbehalten.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Ab dem 22. Februar können alle Kinder in
Nordrhein-Westfalen wieder in die Kitas und die Tagespflege kommen.
Das kündigte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) am Dienstag in
Düsseldorf an. Allerdings bleibt es zunächst bei einem landesweit
pauschal um zehn Wochenstunden gekürzten Betreuungsangebot und bei
festen Gruppen.

Angesichts sinkender Corona-Neuinfektionszahlen verlässt NRW damit in
Kürze den Weg der bisherigen Appelle an die Eltern, ihre Kinder
möglichst zu Hause zu betreuen, obwohl die Kitas landesweit geöffnet
waren für alle, die das aus beruflichen oder privaten Gründen nicht
leisten konnten. Diese Woche gelte dieser Appell weiter, betonte
Stamp. Es werde auch keinen Automatismus für einen Regelbetrieb
geben, falls die landesweite Quote der Neuinfektionen noch in dieser
Woche unter 50 gerechnet auf 100 00 Einwohner binnen sieben Tagen
sinken sollte. Seine Pläne erläuterte Stamp auch in Schreiben an
Eltern und Beschäftigte in der Kindertagespflege.

LOKALE ENTSCHEIDUNGEN: Wenn die Neuinfektionszahlen weiter sinken,
dürfen Kita-Leitungen und Träger voraussichtlich ab dem 8. März
selbst entscheiden, ob sie die Kinder wieder im vollen Umfang
betreuen. Wo das für den Infektionsschutz vor Ort weiter nötig sei,
dürften Einrichtungen den Betreuungsumfang dann weiterhin um maximal
zehn Wochenstunden kürzen, erläuterte Stamp.

Pauschal gelte diese Kürzung dann aber nicht mehr in NRW. Die
Regelung soll zunächst bis Ostern gelten. Bevor diese Stufe in Kraft
trete, werde zunächst gemeinsam mit Kita-Trägern, Elternverbänden und

Gewerkschaften die Infektionsentwicklung in NRW betrachtet, erklärte
Stamp.

REGELBETRIEB: Normalen Regelbetrieb könne es erst wieder geben, wenn
ausreichend Corona-Selbsttests für jedermann zur Verfügung stünden,
die Beschäftigten geimpft oder die Neuinfektionszahlen ganz niedrig
seien, erklärte Stamp.

CORONA-NOTBREMSE: «Sollte es wider Erwarten zu einem sprunghaften
Anstieg kommen, werden wir Kitas auch regional oder landesweit
komplett schließen», erklärte Stamp. «In einem solchen Notfall wü
rde
es dann tatsächlich auch nur eine ganz eng begrenzte Notbetreuung
geben.» Wenn es sich dabei nur um eine regionale Entwicklung handle,
könne darauf auch regional reagiert werden.

KRANKE KINDER: Eindringlich appellierte der Minister an die Eltern,
kranke Kinder nicht in die Kitas zu schicken. «Wenn die
Kita-Leitungen sagen, das Kind kann in dem Zustand nicht in die Kita,
dann muss es dabei bleiben», unterstrich er. «Wer einen
Erkältungsschnupfen hat, gehört in diesen Tagen nicht in die Kita.»

KINDERBETREUUNGSTAGE: NRW hat ein Landesprogramm aufgelegt, damit
auch selbstständig oder freiberuflich tätige Eltern einen Anspruch
auf die neuen zusätzlichen Kinderbetreuungstage erhalten. Das
Anmeldeportal werde gerade entwickelt, sagte Stamp. Sobald es stehe,
werde darüber informiert. Es gehe aber kein Tag verloren, da der
Anspruch rückwirkend ab dem 5. Januar geltend gemacht werden könne,
versicherte Stamp.

CORONA IN KITAS: Bei Beschäftigten in NRW-Kindertageseinrichtungen
wurden seit Anfang des Jahres laut Stamp knapp 590 Corona-Infektionen
festgestellt. Im Januar seien es 402 Infektionen gewesen und im
Februar bislang 187. Insgesamt gibt es in den Kitas und in der
Tagespflege laut Familienministerium rund 168 000 Beschäftigte.

Durch eine falsche Interpretation von Krankenkassenzahlen sei der
Eindruck entstanden, das Infektionsrisiko sei in Kitas besonders
hoch, schrieb Stamp in einem Elternbrief. Das stimme aber so nicht.
In die Zahlen der Krankenkassen seien alle Krankmeldungen etwa wegen
Husten, Schnupfen oder Fieber eingeflossen, bei denen sich das
Kita-Personal «in vorbildlicher Weise aus Vorsicht» beim Arzt
gemeldet habe.

SELBSTTESTS: Die Landesregierung hat laut Stamp eine europaweite
Ausschreibung für Millionen von Corona-Selbsttests für die
Kita-Beschäftigten auf den Weg gebracht. Wenn die Zulassung dann da
sei, solle die Bestellung sofort aufgegeben werden. Bis die
zertifizierten Selbsttests in ausreichender Menge zu Verfügung
stehen, können Kita-Beschäftigte zweimal pro Woche einen kostenlosen
Schnelltest machen.

IMPFUNGEN: Nach Worten Stamps wäre es «ein Befreiungsschlag für die
gesamte Gesellschaft», wenn Lehrkräfte und Erzieher früher geimpft
werden könnten. Dies sei wichtig für die Stabilität der Entwicklung
der Kinder. Kinderärzte warnten vor Schäden bei einem fortdauernden
Lockdown. Die Ständige Impfkommission (Stiko) sieht bislang keinen
Grund, die Impfreihenfolge zu ändern. Die Politik könnte aber von den
Stiko-Empfehlungen abweichen. Nach der aktuellen Impfverordnung sind
Erzieher und Lehrkräfte bislang in der dritten Impf-Gruppe. Bund und
Länder hatten sich darauf verständigt, eine Höherstufung zu prüfen.


KITA-BEITRÄGE: Vorerst bleibt es bei der Erhebung von Elternbeiträgen
für die Kita. Die Landesregierung prüfe aber eine rückwirkende
Erstattung, sagte Stamp. Im Vordergrund stehe derzeit aber die
Stabilisierung des Betreuungssystems mit Bezahlung der Corona-Tests,
Hygienemittel und der Alltagshelfer in den Einrichtungen.

REAKTIONEN: Der Fachgewerkschaft für Beschäftigte der Kommunen, der
Länder sowie der privatisierten Dienstleistungsunternehmen, Komba,
kommt der NRW-Öffnungsplan für die Kitas zu schnell. Auch der Verband
Bildung und Erziehung betonte, Infektionsschutz müsse im Mittelpunkt
stehen. Es dürfe «keine Hürden geben, die Stundenanzahl, wenn nötig
,
zu reduzieren».

Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag sieht in Stamps Modell
keine Vorteile für die Eltern. «Die Rücknahme des Minister-Appells,
Kinder nicht in die Kita zu bringen, bedeutet für Eltern in erster
Linie: Sie können ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die zusätzlichen
Kinderkrankentage zurückgreifen, wenn sie aufgrund der Pandemie ihre
Kinder noch nicht wieder in die Kita geben wollen», stellte der
familienpolitische Sprecher Fraktion, Dennis Maelzer, fest. Diese
Eltern müssten jetzt wieder auf ihren eigenen Erholungsurlaub
zurückgreifen und gleichzeitig Kita-Beiträge zahlen.