Corona-Lage bundesweit - wie entwickeln sich R-Wert und Inzidenz?

Für Wochen nahmen wichtige Infektions-Kennzahlen eine beruhigende
Abwärtsentwicklung. Doch Experten warnen, dass sich im Hintergrund
längst eine neue Welle aufschaukelt, die wieder deutlich höhere Werte
bringen könnte.

Berlin (dpa) - Vor vier Wochen lag die Zahl der binnen sieben Tagen
gemeldeten Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in Deutschland
noch bei 131,5, am Dienstag nun bei 58,7. Doch mit 58,9 hatte die
sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz nach den Daten des Robert
Koch-Instituts (RKI) tags zuvor kaum höher gelegen. Droht der seit
Wochen beobachtete Rückgang der Infektionszahlen zum Erliegen zu
kommen?

Eine Einschätzung wird erst in einigen Tagen möglich sein. Experten
geben zu bedenken, dass wegen der Witterungsverhältnisse manche
Menschen zuletzt später als sonst üblich einen Arzt oder eine
Teststelle aufgesucht haben könnten und neue Infektionen darum
verzögert erfasst werden. Noch nicht absehbar ist aber vor allem die
Entwicklung bei den neuen Varianten.

Vor allem die Mutante B.1.1.7, die nach konservativen Schätzungen 35
Prozent ansteckender ist, bereitet Sorgen. Neue Zahlen zu ihrem
Anteil an den Neuinfektionen in Deutschland will das RKI noch in
dieser Woche vorlegen. Daten aus anderen europäischen Ländern wie
Dänemark und Italien lassen befürchten, dass ihr Anteil auch in
Deutschland rasch und deutlich steigen wird.

Dem System-Immunologen Michael Meyer-Hermann zufolge läuft diese
Entwicklung längst: B.1.1.7 befinde sich bereits in einer Phase des
exponentiellen Wachstums - «und die aktuellen Maßnahmen reichen
nicht, um diese Entwicklung auszubremsen», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur.

Zwar liegt der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert seit Anfang des Monats
im Bereich von etwa 0,8 bis 0,9 - zehn Infizierte stecken also
weniger als 10 weitere Menschen an. Doch in dem Wert steckten
inzwischen mindestens zwei nebeneinander laufende Pandemien, betonte
Meyer-Hermann: B 1.1.7. expandiere mit einer Reproduktionszahl über
1. «Grob geschätzt 1,2», sagte der Leiter der Abteilung System
Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in
Braunschweig. «Das sieht man nur nicht, weil immer noch die meisten
Fälle mit der alten Variante auftreten. Über kurz oder lang wird
B.1.1.7 dominieren.» Dann drohe eine dritte Welle, würden die
Fallzahlen nicht mit anhaltenden Maßnahmen auf eine geringe Inzidenz
gedrückt.

Der bisherige Höchststand der Sieben-Tage-Inzidenz war am 22.
Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer
verzeichnen laut RKI derzeit weiterhin sinkende Inzidenzwerte. Die
Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem Robert Koch-Institut
binnen eines Tages 3856 Corona-Neuinfektionen. Zudem wurden innerhalb
von 24 Stunden 528 weitere Todesfälle verzeichnet, wie aus den
RKI-Zahlen vom Dienstag hervorgeht. Die Daten geben den Stand von
00.00 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind
möglich.

Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 3379
Neuinfektionen und 481 neue Todesfälle verzeichnet, wobei rund 600
Infektionsfälle aus Nordrhein-Westfalen fehlten, die erst am Tag
darauf in die Statistik einflossen. Der Höchststand von 1244 neu
gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den
binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33 777 am 18.
Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500
Nachmeldungen.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2 342 843 nachgewiesene
Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 16.02., 00.00 Uhr).
Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele
Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an
oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2
gestorben sind, stieg auf 65 604.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom
Dienstagabend bei 0,84 (Vortag 0,86). Das bedeutet, dass 100
Infizierte rechnerisch 84 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet
jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für
längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.