Institut: Große Nachfrage nach Grippe-Impfungen im Herbst 2020

Wenn es um den Schutz vor Grippe geht, gilt Deutschland nicht als
Land der Impf-Freunde. Bisher jedenfalls. Der Grippe-Winter 2020/21
fällt nicht nur in dieser Hinsicht aus dem Rahmen.

Berlin (dpa) - Mindestens zu Beginn der Saison im Herbst 2020 haben
sich mehr Menschen in Deutschland gegen Grippe impfen lassen als in
früheren Jahren. Mit 1,8 Millionen Impfungen im September 2020 sei
ein Anstieg um 165 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
verzeichnet worden, teilte ein Sprecher des Zentralinstituts für die
kassenärztliche Versorgung in Deutschland auf dpa-Anfrage mit.

Es gebe Hinweise, dass auch im vierten Quartal deutlich häufiger
gegen Grippe geimpft worden sei - ein Unterschied in Millionenhöhe im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum, erklärte der Sprecher. Zu 2021
könnten noch keine validen Aussagen getroffen werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut hatte in dieser Saison mehr Impfdosen gegen
die Influenza freigegeben als in den Jahren zuvor: 25 Millionen. Der
Bund hatte zusätzliche Dosen beschafft, um eine zusätzliche Belastung
des Gesundheitswesens in der Corona-Krise zu vermeiden.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) geht von
einem «sehr erfreulichen Spitzenwert» an Grippe-Impfungen in dieser
Saison aus: In Anbetracht der freigegebenen Menge und einer
Schätzung, wonach eine Million Dosen derzeit noch verfügbar ist,
seien weit mehr als 20 Millionen Menschen geimpft worden, erklärte
ein Sprecher. Und auch im Februar mache die Impfung noch Sinn.
Empfohlen wird die Grippeschutzimpfung unter anderem für Menschen
über 60, chronisch Kranke und Schwangere.

Vor Saisonbeginn hatte es noch Befürchtungen gegeben, der
Grippeimpfstoff könne diesen Winter nicht reichen - nun drohen manche
Apotheken aber auf Beständen sitzenzubleiben. «Da liegt noch
Einiges», sagte ein Sprecher des Berliner Apotheker-Vereins. Noch im
Oktober und November habe es einen «gefühlt sehr heftigen
Lieferengpass» gegeben. Einige Menschen hätten unbedingt geimpft
werden wollen und seien auf der Suche nach dem Impfstoff von Apotheke
zu Apotheke gegangen. «Viele Apotheken haben dann große Mengen
nachbestellt.»

Als diese Impfstoff-Lieferungen dann Ende November, Anfang Dezember
gekommen seien, hatte die Nachfrage dem Sprecher zufolge bereits
wieder nachgelassen. «Angesichts der Kosten von rund 10 Euro pro
Dosis ergibt sich ein hoher wirtschaftlicher Schaden», sagte er.
Haltbar sei Grippe-Impfstoff überwiegend noch bis zum Sommer, dann
müsse er vernichtet werden. Weil Grippeviren sehr wandelbar sind und
der Impfstoff jedes Jahr neu angepasst wird, könnten die Mittel in
der Regel nicht mehrere Jahre hintereinander eingesetzt werden.

Der Abda-Sprecher betonte, bis Ende 2020 habe sich die
Liefersituation entspannt, «so dass inzwischen alle Impfwünsche von
den Ärzten erfüllt werden konnten». Normalerweise grassiert die
Grippe insbesondere nach dem Jahreswechsel. In diesem Winter werden
bislang jedoch extrem niedrige Fallzahlen erfasst. Die besonders hohe
Impfrate und die Regeln zu Abstandhalten, Hygiene und Maskentragen
sowie die Kontaktbeschränkungen hätten zum Ausbleiben der Grippewelle
geführt, so das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung.

Die Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut berichtete
vergangene Woche mit Blick auf Atemwegserkrankungen von einem «vorher
nie erreichten, niedrigen Niveau in den Wintermonaten» seit Beginn
des harten Lockdowns Ende 2020. Influenzaviren wurden demnach in der
routinemäßigen Überwachung von Stichproben nicht gefunden. Das sei
sonst seit 1997/98 spätestens ab der ersten Kalenderwoche der Fall
gewesen.