Gezerre um Grenzkontrollen - Bundesregierung bleibt hart Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Die Einreiseverbote vom vergangenen Frühjahr haben viele Menschen in
den Grenzregionen in schlechter Erinnerung. Trotzdem werden jetzt
wieder Ausländer, die zur Arbeit oder zu Besuchen nach Deutschland
wollen, abgewiesen. Es könnte bald auch noch mehr Reisende betreffen.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung glaubt nicht, dass sie die neuen,
ansteckenderen Varianten des Coronavirus mit Grenzkontrollen komplett
ausbremsen kann. Doch wenn die Zahl der Neuansteckungen in einem
Nachbarland plötzlich explodiert, wenn Staaten, mit denen es viele
Kontakte gibt, auf strenge Maßnahmen verzichten oder durch zu wenige
Tests die tatsächliche Ausbreitung von Corona verschleiern, soll auch
dieser Schritt zur Pandemie-Bekämpfung beitragen.

«Wir haben eine Situation, in der wir alles Notwendige tun müssen, um
zu verhindern, dass Virus-Varianten, die deutlich aggressiver sind,
deutlich mehr Ansteckungen mit sich bringen können, sich in
Deutschland genauso schnell ausbreiten, wie sie sich
bedauerlicherweise in Nachbarländern oder in Teilen von
Nachbarländern ausgebreitet haben», sagt Regierungssprecher Steffen
Seibert. Er verweist auf die an der Grenze geltenden Ausnahmen - die
gibt es etwa für Ärzte und Pfleger, die trotzdem über die Grenze
kommen dürfen. Und er betont, hier gehe es um «vorübergehende
verstärkte Grenzkontrollen, nicht um eine Grenzschließung».

Die EU-Kommission sieht das Vorgehen Deutschlands trotzdem kritisch.
Das ärgert Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Gar nicht einmal
so sehr wegen des Inhalts der Kritik - Brüssel hatte zum Beispiel
vergangene Woche auf unbillige Härten für Berufspendler hingewiesen -
ihn stört vielmehr, dass man damit, anstatt in Berlin anzurufen,
gleich an die Öffentlichkeit geht.

Mit massiven Protesten von Politikern aus den Bundesländern, die an
der Grenze liegen, muss Seehofer diesmal aber - anders als im
Frühjahr 2020 - eher nicht rechnen. Denn die seit Sonntag geltenden
neuen Einreiseverbote für Tschechien und weite Teile des
österreichischen Bundeslandes Tirol sind in enger Abstimmung mit den
Landesregierungen von Bayern und Sachsen eingeführt worden. Und zwar
so kurzfristig, dass das Kleingedruckte am Wochenende erst
nachgereicht und dann auch noch einmal feinjustiert werden musste.

Die neuen Regeln, die jetzt doch etwas mehr Einreisemöglichkeiten für
Pendler vorsehen als ursprünglich geplant, gelten erst einmal nur für
zehn Tage. Ob sie anschließend verlängert werden, hängt erstens vom
Infektionsgeschehen in den Nachbarländern ab und zweitens auch davon,
wie groß die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme sind,
die durch Kontrollen und Verbote hierzulande entstehen.

Das Beförderungsverbot für Menschen aus sogenannten
Virusvariantengebieten gilt auch für einige Staaten, die keine
Landgrenze mit Deutschland haben - zum Beispiel für Großbritannien
und Portugal. Fluggesellschaften, Busunternehmer und die Bahn dürfen
niemanden von dort, der nicht unter die Ausnahmeregeln fällt, nach
Deutschland bringen. Diese Verordnung, die bis Mittwoch gilt, wird
nach Angaben aus Regierungskreisen wahrscheinlich verlängert.

Bisher ist nicht vorgesehen, auch an anderen Grenzabschnitten
stationäre Kontrollen und weitreichende Einreiseverbote anzuordnen.
Sollte sich die Situation aufgrund von mutierten Viren in grenznahen
Gebieten beispielsweise von Frankreich oder Dänemark in den nächsten
Tagen oder Wochen dort dramatisch verschärfen, wäre auch dies nicht
ausgeschlossen - vor allem wenn die Landesregierungen in den davon am
stärksten betroffenen Bundesländern dies wünschen sollten.

In der Verordnung, die regelt, welche Staaten als
«Virusvarianten-Gebiete» eingestuft werden, heißt es: «In der Regel

ist das Verhältnis des vermuteten Auftretens der Variante im Ausland
und dem Auftreten in Deutschland zu berücksichtigen. Weitere
Kriterien, wie angewandte Schutzmaßnahmen, können zudem herangezogen
werden.» Wenn also beispielsweise trotz der Verbreitung des mutierten
Virus keine Kontaktbeschränkungen im Nachbarland gelten, könnte das
ein Grund für Grenzkontrollen sein.

Grenzkontrollen seien immer nur als letztes mögliches Mittel denkbar,
betont der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Thorsten
Frei. Der CDU-Abgeordnete aus Baden-Württemberg sagt, er könne aber
nicht ausschließen, «dass wir auch in anderen Regionen zu diesem
Mittel greifen müssen». Schließlich könne man der deutschen
Bevölkerung einen «harten nationalen Lockdown» nicht zumuten, «wenn

wir zugleich nicht jede Anstrengung unternehmen würden, damit
besonders ansteckende Mutationen nicht vermehrt nach Deutschland
hineingetragen werden».