Sex mit 15-Jährigem: Warum Lehrerinnen mit Schülern schlafen Von Benedikt von Imhoff und Fabian Albrecht, dpa

Für manche Männer ist es - Jahre nach ihrer Schulzeit - eine
aufregende Fantasie: Verführt von der eigenen Lehrerin. Doch mit
Liebe oder purer Erotik haben solche Verhältnisse meist nichts zu
tun.

Aylesbury (dpa) - Nacktfotos und anzügliche Nachrichten, heimliche
Treffen, es kommt zum Sex. Doch was bei Verliebten nachvollziehbar
klingt, ist verboten, wenn es sich bei den Partnern um Schüler und
Lehrer handelt. In England geht es nun um eine Lehrerin, die Sex mit
einem 15-Jährigen hatte: Am 5. März will ein Gericht in Aylesbury, 60
Kilometer nordwestlich von London das Strafmaß gegen die 35-Jährige
verkünden. Verurteilt ist die verheiratete Frau bereits, wegen
«Anstiftung eines Kindes zu sexuellen Aktivitäten» drohen ihr mehrere

Jahre Haft.

Dass solche Fälle bekannt werden ist selten, etwa in den USA hatte
eine damals 34 Jahre alte Lehrerin Sex mit ihrem 12-jährigen Schüler.
Die Frau wurde 1996 zu sieben Jahren Haft verurteilt - nach ihrer
Freilassung begann sie mit dem Jungen eine Beziehung, das Paar bekam
zwei Kinder.

In Medienberichten ist oft von «Sex-Lehrerinnen» die Rede. Das aber
verkennt die Lage nach Einschätzung eines Experten völlig. Provoziert
würden damit lediglich Kommentare von Männern in sozialen Netzwerken,
die darüber fantasieren, wie gerne sie früher von ihrer Lehrerin
verführt worden wären, sagte der Psychologe Tim Watson-Munro der
Zeitung «Daily Mail Australia». Die Realität sei anders: «Wenn man

sexuellen Missbrauch durch eine Lehrkraft erlebt, egal welchen
Geschlechts, fühlt man sich betrogen, erniedrigt und ausgenutzt.»

Doch warum schlafen Lehrerinnen mit Schülern? «Viele dieser Frauen
missbrauchen, weil ihre eigenen Intimitätsbedürfnisse unerfüllt sind,

die sich beispielsweise aus Beziehungsproblemen und
Einsamkeitsgefühlen ergeben», schreibt die britische Kriminologin
Andrea Darling von der Universität Durham in einer Analyse.

Und sie sieht ein Risiko. Frauen werde aus sozialen und kulturellen
Normen seltener sexuelle Aggressivität zugetraut. «Das bedeutet, dass
Missbrauch durch eine Frau als weniger schädlich als durch einen Mann
betrachtet wird», stellt Darling fest. «Das verniedlicht nicht nur
das verletzende Verhalten, sondern spielt auch die Konsequenzen für
die Opfer unfair herunter. Solch ein Verhalten ist Missbrauch und
muss als solcher betrachtet werden.»

Wie oft es in Deutschland zu Beziehungen zwischen Lehrerinnen und
Schülern oder Lehrern und Schülerinnen kommt, sei schwer zu erfassen,
sagt Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW), der Deutschen Presse-Agentur. «Dafür muss es
ruchbar sein, es muss einen Kläger geben und eine Anzeige beim
Bildungsministerium», sagt sie.

2016 etwa wurde ein Lehrer in Dresden zu drei Jahren und neun Monaten
Haft verurteilt, weil er mehrmals mit einer minderjährigen Schülerin
Sex gehabt hatte. Mit einer Geldstrafe kam 2013 ein ehemaliger Lehrer
davon, der einer Jugendlichen bei einem Ausflug in einem Whirlpool
zwischen die Beine gegriffen hatte. Der Mann hatte schon einmal vor
Gericht gestanden, weil er 2007 mehrfach Sex mit einer damals 14
Jahre alten Schülerin hatte. Damals wurde der Mann freigesprochen.

«Es gibt sicherlich eine große Dunkelziffer an sexuellem Missbrauch,
den wir nicht mitbekommen», sagt Hoffmann. Sie hält aber auch
Beziehungen durchaus für denkbar. «Dass ein 16-jähriger Schüler sic
h
in eine 25-jährige Lehrerin verliebt und da vielleicht mehr draus
wird, ist ja absolut vorstellbar.» Gerade an Schulen, an denen die
meisten Pädagoginnen und Pädagogen eher älter sind, könnten junge
Lehrkräfte attraktiv auf die Schüler wirken, sagt Hoffmann. «Da kommt

dann in so eine Pubertierenden-Klasse ein junger gut aussehender
Lehrer, da kann hormonell schon was passieren.»

Gerade junge Kolleginnen und Kollegen seien oft innerlich der
Schülerseite noch näher. In der Ausbildung würden Lehrkräfte auf
solche sozialen Probleme nicht vorbereitet. «Man kann sich nur
vorbereiten, indem man sich seine eigene Rolle klar macht», sagt die
Gewerkschafterin. «Man muss sich bewusst sein, dass man auf der
anderen Seite, auf der der Erwachsenen, steht.»