Verband: Kleidergeschäfte werden wegen Lockdown Winterware nicht los

Die Lager sind voll, die Läden zu. Der Online-Vertrieb ist nach
Einschätzung des Handelsverbands für die meisten kleineren
Modegeschäfte kein Rezept gegen die Umsatzverluste.

Mainz (dpa/lrs) - Kleider- und Schuhgeschäfte, aber auch Blumen- und
Schmuckläden haben nach Einschätzung des rheinland-pfälzischen
Handelsverbands in der Branche am meisten unter der erneuten
Verlängerung des Corona-Lockdowns zu leiden. Die Textilgeschäfte
würden ihre Winterware nicht los, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas
Scherer der Deutschen Presse-Agentur. Das Einmotten der Ware oder der
Weg über Großaufkäufer und Online-Verkäufe seien keine wirklich
praktikablen Alternativen.

«Die Floristen in Rheinland-Pfalz sind sauer, weil in Hessen und
anderen Bundesländern die Läden geöffnet haben dürfen», berichtet
e
Scherer. Zudem werde in rheinland-pfälzischen SB-Märkten oder
Discountern, die geöffnet haben dürfen, derzeit stark für Blumen und

Pflanzen geworben. «Das bringt die inhabergeführten Floristikläden
auf die Palme», sagte er. In einigen großen SB-Warenhäusern, die
früher eigentlich keine oder nur ganz wenige derartige Waren in ihrem
Sortiment geführt hätten, gebe es nun «ganze Regalreihen voll mit
Blumensträußen, wo früher Obst und Gemüsen standen». Laut Verordn
ung
dürfte es eigentlich keine Sortimentserweiterung geben, «doch das
wird anscheinend nicht ordentlich überwacht», kritisierte Scherer.

Auch für Juweliere und Schmuckgeschäfte sehe es schlecht aus,
erklärte er. «Da geht es um emotionale Einkäufe, Kunden wollen
intensiv beraten werden und die Halskette oder Armbanduhr auch einmal
anprobieren.» Und das gehe nicht, weil die Geschäfte derzeit nur
Reparaturen annehmen dürften.

Textilhändler und Schuhgeschäfte werden es nach Scherers Einschätzung

schwer haben, Wintermode loszuwerden. Wenn die Läden im Frühjahr
wieder öffnen dürften, werde kaum Nachfrage nach Skijacken, Mänteln
oder Pullis bestehen. Kaum ein Laden habe genug Lagerfläche, um die
Ware für die nächste Wintersaison aufzuheben - vom ständigen Wandel
der Mode ganz abgesehen. «Das wird man auch in der nächsten Saison
kaum noch verkaufen können oder wenn, dann nur mit hohen
Preisnachlässen.»

Dass die Lager im Textilhandel voll sind, habe auch damit zu tun,
dass die Ware oft mit einem Vorlauf von neun bis zwölf Monaten
eingekauft werde, erklärte Scherer. Nach entsprechenden Äußerungen
aus der Politik hätten viele Läden im Sommer und Frühherbst darauf
gesetzt, dass es nicht wieder zu einem Lockdown kommen werde und
daher Ware bestellt, «auch fürs Frühjahr». Diese treffe jetzt ein.

Üblicherweise werde die neue Kollektion mit den Erlösen der Vorsaison
bezahlt, doch die Winterware habe wegen der angeordneten Schließungen
nicht verkauft werden können.

Die versprochenen staatlichen Hilfen funktionieren nach seinen
Angaben nicht. «Das fängt schon damit an, dass die
Schließungszeiträume nicht deckungsgleich mit den
Entschädigungszeiträumen sind», erklärte Scherer. «Das heißt, d
ass
für die Berechnung von Ansprüchen der komplette Dezember-Umsatz
herangezogen wird und nicht erst die zweite Hälfte, als die Läden
schließen mussten.» Viele Betriebe kämen daher nicht auf den
Mindestumsatzverlust von 30 Prozent, den sie brauchten, um die Hilfen
zu erhalten. Auch große Unternehmen mit ihren Filialen hätten
Probleme, denn sie bekämen keine Unterstützung, wenn sie mehr als 750
Millionen Euro Jahresumsatz hätten.

Der Online-Verkauf ist nach Einschätzung des Verbands für die meisten
kleinen Einzelhändler kein Rezept gegen den Lockdown. «Im Internet
müssen kleine Läden erst einmal gefunden werden, da liegen die großen

Versandhändler und Plattformen bei den Suchergebnissen immer auf den
ersten Seiten.» Auch die rechtlichen Unsicherheiten und
Komplikationen im Online-Geschäft seien für viele kleine Ladeninhaber
einfach zu groß.

Ein Händler habe zudem beim Online-Vertrieb enorme Versandkosten und
das Risiko von eventuellen Rücksendungen zu tragen. Er wisse etwa von
einem Ladeninhaber, der wegen des Lockdowns versucht habe, seine
Textilien über eine große Online-Plattform zu vertreiben, berichtete
Scherer. Unterm Strich habe der Händler wegen hoher Versandkosten
nicht einmal den Einkaufspreis erzielen können. Viele Modegeschäfte
hätten außerdem höherwertige Waren im Sortiment, davon gebe es dann
aber nur wenige Exemplare. «Der Aufwand, diese Kleidungsstücke in
einen Online-Auftritt einzustellen, rechnet sich meist nicht.»

Scherer bemängelte eine unzureichende Förderung kleiner Einzelhändler

in Rheinland-Pfalz beim Aufbau eines Online-Vertriebs. In den
Nachbarländern Hessen, Baden-Württemberg und dem Saarland sei das
besser gewesen. «Die Innovationsförderung des Landes hat sich nicht
auf die Digitalisierung der Prozesse bezogen, was für den Handel
wichtig gewesen wäre und von uns gefordert wurde», sagte Scherer. Das
in Aussicht gestellte Förderprogramm «Digi-Booster» des Landes ab 1.

März hätte es schon vor zwei, drei Jahren geben müssen.