Kalayci verteidigt Lockdown-Verlängerung - Kritik von der Opposition

An der vom Senat beschlossenen Verlängerung des Lockdowns gibt es
viel Kritik. Die Schlussfolgerungen der Oppositionsparteien sind
allerdings sehr unterschiedlich.

Berlin (dpa/bb) - Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci hat die
Verlängerung des Corona-Lockdowns um drei Wochen als notwendig
verteidigt. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen
einer Woche sei zwar auf unter 60 zurückgegangen, sagte die
SPD-Politikerin am Sonntag in einer Sondersitzung des
Abgeordnetenhauses. Allerdings seien die Mutationen des Coronavirus
ein Grund zur Sorge. In Berlin liege der Anteil dieser Varianten an
den PCR-Tests inzwischen bei über zehn Prozent. «Das können wir nicht

ignorieren», sagte Kalayci.

Sollten die Virus-Varianten die Überhand gewinnen, könne das
Infektionsgeschehen eine andere Dynamik bekommen. Zudem sei der
Anteil der Gestorbenen an den Infizierten mit 2,3 Prozent (Bund 2,8)
weiter hoch. Auch die Lage an den Krankenhäusern und
Intensivstationen sei sehr angespannt. «Es gibt hier nach wie vor
keine Entwarnung.»

Der Lockdown und die seit Monaten geltenden strengen
Kontaktbeschränkungen seien eine Zumutung für viele Menschen, sagte
Kalayci. Es handele sich um tiefe Einschnitte mit sehr vielen
Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten.

Auf der anderen Seite sei die Infektionszahl nicht nur eine
Statistik. Für viele Menschen sei die Corona-Pandemie mit tragischen
Krankheitsfällen und -verläufen, Schmerzen, Leid und Tod verbunden.
«Den Gesundheitsschutz in der Bevölkerung stuft der Senat hoch ein»,

sagte Kalayci. Die richtige Balance der Maßnahmen sei immer wieder
eine schwierige Abwägung.

Doch der Senat setze im Kampf gegen die Pandemie nicht nur auf
Beschränkungen: Weitere zentrale Säulen seien eine Teststrategie für

den Pflegebereich, für Krankenhäuser und bald auch Schulen, die
Stärkung der Gesundheitsämter sowie Investitionen in das
Gesundheitssystem. Hinzu kämen schnelles Impfen als zentrales Ziel
sowie Bemühungen, soziale und wirtschaftliche Folgen der Pandemie für
Bürger zu mildern.

«Öffnungsschritte müssen vor dem Hintergrund der Virus-Varianten
vorsichtig erfolgen», mahnte Kalyaci. Niemandem wäre aus ihrer Sicht
geholfen, wenn sich durch zu schnelle Öffnung das Infektionsgeschehen
wieder beschleunige. Richtwert für mögliche weitere Lockerungen sei
ein Inzidenzwert von 35. «Hier bereitet der Senat einen Stufenplan
vor nach Clustern», sagte Kalayci.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warnte vor schnellen Lockerungen
der Corona-Maßnahmen. «Wenn alles kurze Zeit später wieder
geschlossen werden muss, nützt das niemandem», sagte er am Sonntag
bei einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses. «Daher muss es unser
vorrangiges Ziel bleiben, einen dritten Lockdown zu verhindern.»

Es sei mühsam gewesen, die Infektionszahlen wieder zu senken. «Die
7-Tage-Inzidenz beträgt jetzt 60 und muss weiter runter, deutlich
unter die 50», sagte der CDU-Politiker. Die 50 sei ein falscher
Hoffnungswert, der für die Überforderung der Gesundheitsämter bei der

Nachverfolgung von Infektionsketten und für Kontrollverlust stehe,
sagte Dregger. «Wir müssen klar sagen, dass wir zu einem wesentlich
niedrigeren Infektionsniveau kommen müssen, damit die Öffnungen, die
wir alle herbeisehnen, dann auch Bestand haben.»

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kritisierte, Motto des Senats in
der Corona-Krise sei offenbar «Augen zu und Lockdown». «Keine
Öffnungsperspektive, kein klarer Fahrplan, kein Hoffnungsschimmer -
der Senat erfüllt nicht einmal das Mindestmaß dessen, was ein
Krisenmanagement leisten muss.» Die FDP forderte erste schnelle
Öffnungsschritte, die aus ihrer Sicht schon heute verantwortbar sind.
Dazu gehörten eine umgehende Öffnung der Museen, eine Aufhebung des
Verbots des Blumenverkaufs auf Wochenmärkten und eine Öffnung der
Kitas wieder für alle Kinder unabhängig von der Systemrelevanz der
Berufe ihrer Eltern.

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski sagte, das Schließen von Kinos,
Theatern und Konzertsälen sei unsinnig gewesen. Nötig sei eine
konsequente Impfstrategie statt Impfchaos. «Wagen Sie endlich den
großen Schritt: Erlauben Sie nicht nur Friseuren, sondern allen
Dienstleistern, ihre seit dem 2. November letzten Jahres verbotene
Arbeit wieder aufzunehmen», forderte der AfD-Politiker. «Der Lockdown
war von Anfang an falsch. Und deshalb kann er auch sofort beendet
werden ohne Teilschritte oder Stufenpläne», sagte Pazderski.

Die Koalitionsfraktionen stellten sich weitgehend hinter die Politik
des Senats, sprachen sich an bestimmten Punkten aber auch für
Nachjustierungen aus. So forderte Linke-Fraktionschef Carsten Schatz,
die Gesundheitsämter besser aufzustellen. Angesichts der
Virus-Mutation müssten Hygienekonzepte hinterfragt werden. Der
Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller verlangte mehr Anstrengungen, in der
Verwaltung Homeoffice zu ermöglichen.

Am Donnerstag hatte der Senat die Verlängerung des Corona-Lockdowns
um drei Wochen bis 7. März beschlossen. Viele Geschäfte, Gaststätten

sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben damit zur Eindämmung
der Pandemie zu. Eine Ausnahme gibt es für Friseure: Sie dürfen
bereits ab dem 1. März wieder loslegen.

Mit einer schrittweisen Öffnung der Schulen geht es am 22. Februar
los. Für Schüler der Klassenstufen 1 bis 3 ist dann Wechselunterricht
in halber Klassengröße geplant.