Studie: Grenzschließungen Anfang 2020 gegen Corona kamen zu spät

Wie hat sich das Coronavirus im vergangenen Frühjahr in Europa
ausgebreitet? Haben die Grenzschließungen Mitte März etwas genutzt?
Forscher haben eine eindeutige Antwort.

Basel (dpa) - Die Grenzschließungen in Europa vor rund einem Jahr
kamen einer Studie zufolge zu spät, um das Coronavirus nachhaltig
aufzuhalten. Bereits am 8. März 2020 habe es in Europa etwa genauso
viele lokale Ansteckungen mit dem Virus gegeben wie durch Reisende
aus dem Ausland eingeschleppt wurden, berichten Forscher um die
Mathematikerin und Biostatistikerin Tanja Stadler von der ETH Zürich
im Fachmagazin «PNAS». Die EU schloss die Grenzen erst am 17. März.


Die Forscher hatten die Ausbreitung des Erregers anhand sequenzierter
Virus-Genome nachvollzogen. «Wenn man die Grenzen mit dem Ziel
geschlossen hat, das Virus nicht reinzulassen: Dafür war es zu spät»,

sagte Stadler der Deutschen Presse-Agentur. Bei Infektionsgeschehen,
wie es am 8. März bereits vorhanden war, sei eine Grenzschließung nur
noch verbunden mit einer drastischen Einschränkung der Kontakte im
Land sinnvoll. Dann trage die Reduzierung der Kontakte aus dem
Ausland etwas dazu bei, die Ausbreitung zu bremsen.

Stadler hat mit Kolleginnen und Kollegen die Ausbreitung von
Sars-CoV-2 in Europa anhand entzifferter Virus-Genome aus 19
europäischen Ländern und der Provinz Hubei in China untersucht. Sie
arbeitet im ETH-Departement für Biosysteme, das in Basel angesiedelt
ist.

Aus der Aufarbeitung könnten Schlüsse für eine mögliche neue Pandem
ie
gezogen werden, so Stadler. «Hätte man früher anerkannt, welche
Gefährlichkeit die Pandemie hat, hätte man den Infektionsherd
austrocknen müssen. Aus epidemiologischer Sicht wäre eine frühe
Abschottung des Ausgangsortes der Pandemie in der chinesischen
Provinz Hubei zentral gewesen», sagte die Forscherin. «Es ist extrem
wichtig, am Anfang schnell zu handeln, um zu verhindern, dass ein
Virus global zirkulieren kann. Aber im Nachhinein weiß man immer
mehr.»

In Deutschland sei die erste bekannte Infektionskette - nach der
Ansteckung von Mitarbeitern der Firma Webasto in Oberbayern bei einer
chinesischen Kollegin - Ende Januar unterbrochen worden. Diese Linie
sei wahrscheinlich ausgelaufen und komplett beendet. Es seien aber
weitere Infektionen nach Deutschland gebracht worden, aus China und
aus Italien, wo der erste große Ausbruch in Europa passierte.

In Italien hätten die Ansteckungen vor Ort etwa Mitte Februar
begonnen. «Ende Februar fing die lokale Zirkulation in Deutschland
an», sagte Stadler. Die Virusvariante, die bis zum späten Frühjahr in

Europa grassierte, habe sich wahrscheinlich großteils von Hubei aus
über Italien ausgebreitet.