Grenzkontrollen ab Sonntag - Debatte um Pendler

Ab Sonntag kommen kaum noch Reisende aus Tschechien und Tirol über
die Grenze nach Deutschland. Aus Angst vor ansteckenden
Coronavirus-Varianten macht Deutschland im Südosten weitgehend dicht.
Dass auch Zehntausende Berufspendler betroffen sind, schürt Kritik.

München/Kiefersfelden/Passau (dpa) - Aus Sorge vor der Ausbreitung
neuer Virusvarianten in Deutschland sind von Sonntag an die Grenzen
zu Tschechien und zum österreichischen Bundesland Tirol so gut wie
dicht. Dann treten dort schärfere Einreiseregeln in Kraft, die streng
kontrolliert werden sollen. Schon am Samstag rollten nach Angaben der
Bundespolizei in Rosenheim und Passau in Bayern weniger Autos als
sonst über die Grenzübergänge.

Tschechien und Tirol sind nun gemäß Robert Koch-Institut (RKI) als
Gebiete mit besonders gefährlichen Virusmutationen eingestuft. Nach
den Vorgaben aus Berlin dürfen ab Sonntag aus Tschechien und weiten
Teilen des österreichischen Bundeslandes Tirol nur noch Deutsche
sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland
einreisen. Ausnahmen bei der Einreise gibt es auch für
Gesundheitspersonal, Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal
im Güterverkehr.

Umstritten ist die Pendlerfrage. Bayern will nach dem neuen Text der
Einreise-Quarantäneverordnung Ausnahmen für Grenzgänger und
Grenzpendler, wenn deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung
betrieblicher Abläufe dringend erforderlich und unabdingbar ist und
dies durch den Dienstherrn, Arbeitgeber oder Auftraggeber bescheinigt
wird. Dem Vernehmen nach gibt es von Bundesseite aus aber noch
Diskussionen, die Ausnahmen enger zu fassen. Unbestritten sei dabei
die Ausnahme für medizinisches Personal, hieß es.

Möglicherweise werde es zu einer abweichend bundesgesetzlichen
Einreiseregelung kommen, die diese bayerische Vorschrift nur
eingeschränkt zur Wirkung kommen lasse, teilte ein Sprecher des
Gesundheitsministeriums auf dpa-Anfrage mit. Pflicht ist für alle
Einreisenden ausnahmslos das Vorliegen eines negativen Tests, der
nicht älter ist als 48 Stunden. Zudem müssen sie sich digital
anmelden.

Die EU-Kommission hatte an Deutschland appelliert, Ausnahmen für
Pendler zuzulassen. Bundesinnenminister Horst Seehofer wies dies
jedoch entschieden zurück. Er sagte, die Bundesregierung werde nicht
«tatenlos zusehen, wie die Virus-Mutation zu uns rüber schwappt».
Grenzkontrollen im Herzen Europas seien schmerzhaft, aber derzeit
unumgänglich.

Auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter hatte sich empört
gezeigt. Dies würde tausenden Tirolern, die zur Arbeit nach Bayern
pendelten, das Arbeiten unmöglich machen. Grenzüberschreitendes
gemeinsames Arbeiten und Wirtschaften komme so gut wie zum Erliegen.

Die verschärften Regeln für die Einreise treffen Pendler und damit
die Wirtschaft in Bayern ganz besonders. Rund 45 000 in Deutschland
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hatten laut Bundesagentur
für Arbeit (BA) zuletzt ihren Wohnsitz in Tschechien oder Österreich.
Die allermeisten waren in Bayern tätig. Nach der jüngsten
BA-Statistik von Ende Juni arbeiteten allein in Bayern 22 000
Tschechen und 9600 Österreicher - vor allem im verarbeitenden
Gewerbe.

Unterdessen hat die Bundespolizei provisorisch stationäre
Kontrollpunkte eingerichtet. Von Sonntag an soll hier engmaschig
überprüft werden, wer über die Grenze kommt. Wer nicht unter eine
Ausnahmeregelung fällt, darf nicht einreisen.

Die mit FFP2-Masken und Handschuhen ausgerüsteten Beamten
kontrollieren seit Tagen verschärft die Einhaltung der Corona-Regeln.
Immer wieder registrieren sie dabei mehrfach Verstöße gegen
Regelungen, etwa weil kein Testnachweis oder keine digitale Anmeldung
vorliegt.

Es sei deutlich weniger los als sonst an Samstagen, sagte ein
Sprecher der Bundespolizei in Passau. Auch Pendler seien kaum
unterwegs. «Es gibt aber viele Anfragen von Bürgern, die unsicher
sind und wissen wollen, wie es weitergeht.»

Noch wurde nicht lückenlos kontrolliert. «Es ist nicht so, dass wir
jedes Auto anhalten, aber wir schauen in jedes Fahrzeug hinein»,
sagte der Sprecher der Bundespolizei-Inspektion Rosenheim, Rainer
Scharf. Von Sonntag an wird das voraussichtlich etwas anders
aussehen. «Sehr wahrscheinlich werden wir bei jedem Fahrzeug
überprüfen, ob ein negatives Testergebnis vorliegt», sagte Scharf.
Betroffen von den Grenzkontrollen ist auch Sachsen, das an Tschechien
angrenzt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte, die Bundespolizei sei
für einen solchen Einsatz kaum ausgerüstet. «Die technische
Ausstattung der Bundespolizei lässt zu wünschen übrig. Es mangelt an

Containerbüros, Toilettenwagen und großen Zelten, um die Kontrollen
durchführen zu können», sagte der Vorsitzende des GdP-Bezirks
Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der «Rheinischen Post».

In Tirol gibt es verstärkt Fälle der südafrikanischen
Sars-CoV-2-Virusvariante, in Tschechien ist es die britische
Variante. Beide Mutanten gelten als deutlich ansteckender. Die
südafrikanische Variante ist nach bisherigem Wissen zudem auch
tödlicher - und zusätzlich wirkten manche Impfstoffe weniger gut
dagegen.

Die mutierten Viren werden sich nach Einschätzung des RKI auch in
Deutschland mehr und mehr ausbreiten. Man versucht dies zwar zu
verlangsamen, doch immer wieder werden Ausbrüche gemeldet, wie etwa
am Samstag aus dem Landkreis Landsberg am Lech, wo inzwischen 18
Fälle der gefährlicheren südafrikanischen Variante nachgewiesen
wurden.

Die Bundesregierung und auch die bayerische Staatsregierung hatten
wiederholt betont, die Gefahr dürfe trotz sinkender Infektionszahlen
nicht unterschätzt werden. Zuletzt hatten sich in Deutschland immer
weniger Menschen täglich mit dem Coronavirus infiziert. In Bayern lag
nach RKI-Angaben die Inzidenz bei 60,1 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner binnen sieben Tagen.