Landrat Michael Sack: «Mir fehlen die Ärzte»

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald steht zurzeit wegen hoher
Corona-Inzidenzen unfreiwillig im Fokus. Landrat Michael Sack
erklärt, warum er nicht mehr Soldaten in Pflegeheimen einsetzt und
wer ihm wirklich fehlt.

Greifswald (dpa/mv) - Der Landrat von Vorpommern-Greifswald hat sich
gegen Kritik verteidigt, für die Bekämpfung des Coronavirus nicht
genügend zusätzliches Personal in Anspruch zu nehmen. «Es ist ja nun

nicht so, dass wir hier nur rumhühnern mit einem Stamm von 20
Leuten», sagte Michael Sack (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Man
habe viel Personal zusätzlich mit an Bord genommen. Allein seine
Stabsstelle «Corona» bestehe aus «ein paar Hundert Mann».

Der Landkreis fällt durch eine wesentlich höhere Zahl an
Corona-Neuinfektionen auf als die übrigen Regionen von
Mecklenburg-Vorpommern. In den vergangen Tagen war die Zahl der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche zeitweise
entgegen des Landestrends gestiegen und hatte sich um die Marke von
200 bewegt. Der landesweite Wert war bis Donnerstag unter 70
gefallen.

«Warum man kreisgrenzenscharf unseren Landkreis so sieht - das heißt,
bei uns die Fallzahlen so hoch sind, und an der Kreisgrenze das
abbricht - das kann ich nicht erklären, das weiß ich nicht», sagte
Sack, der auch Vorsitzender der Landes-CDU und Spitzenkandidat für
die Landtagswahl im Herbst ist.

In der vergangenen Woche hatten Ministerpräsidentin Manuela Schwesig
und Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (beide SPD) auf
Hilfsangebote unter anderem der Bundeswehr verwiesen. Dahlemann hatte
gefordert, der Landkreis müsse endlich mehr Bundeswehrkräfte in
Pflegeheimen einsetzen.

Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die im Landkreis in Alten- und
Pflegeheimen eingesetzt werden, ist laut Zahlen von Sack eher niedrig
- besonders im Vergleich zu einigen Landkreisen mit deutlich
geringeren Inzidenzen. Sack erklärte aber: «Wir sind von vornherein
bei den Pflegeheimen einen anderen Weg gegangen als viele
Landkreise.» Man habe eher auf zivile Arbeitskräfte etwa vom
Jobcenter oder der Bundesagentur für Arbeit gesetzt. Diese bräuchten
ebenso wie Bundeswehrkräfte eine gewisse Anlernzeit. Es sei
langfristig eine bessere Lösung, Menschen Arbeit zu geben, die Arbeit
brauchen.

An Personal mangele es besonders an anderer Stelle: «Mir fehlen die
Ärzte, und mir fehlen Hygieneinspektoren.» Diese Kräfte gebe es
praktisch nicht auf dem Markt. Sie seien wichtig für Kontrollen und
Beratungen in Pflegeeinrichtungen. Da gehe es um «kleinste Details,
die entscheidend sind, ob das Virus sich verbreiten kann oder nicht.»
Dafür brauche er Fachleute. Ärzte brauche er für die Kategorisierung

von Kontakten in Einrichtungen.

Neben Ausbrüchen in Einrichtungen gebe es ein diffuses Fallgeschehen.
«Es ist unglaublich vielfältig, wie Infektionen entstehen
mittlerweile. Und das ist durchaus auch bei vielen Personen der Fall,
die sich vorsehen.» Teilweise reiche allerdings eine kleine Ausnahme.
Sack appellierte nochmals an alle Bürgerinnen und Bürger, sich
vorzusehen und Kontakte zu meiden. «Wir müssen es schaffen, uns alle
zu überprüfen in unserem Handeln.» Man habe das Gefühl, dass nicht

mehr alle Kontakte mitgeteilt würden. So werde der Landkreis dann von
Infektionen überrascht.

Sack versicherte, dass man bei der Kontaktnachverfolgung keinen Fall
liegenlasse. «Es gibt immer mal wieder Fälle, die dauern länger.»
Etwa wenn nur die Positivmeldung mit einem Namen, aber ohne
Kontaktdaten vorliege. «Aber wir sind im Schnitt spätestens am
nächsten Tag dann bei demjenigen, der positiv getestet wurde.» Am
Wochenende könne es auch mal zwei Tage dauern. «Aber das ist alles
noch im Rahmen dessen, was man eigentlich als geordnete
Kontaktnachverfolgung bezeichnen kann.»

Mit Blick auf mögliche Öffnungen von Schulen und Friseuren hofft Sack
auf sinkende Inzidenzen auch in seinem Landkreis: «Vom Datum her ist
das zumindest so weit noch weg, dass wir noch eine gewisse Zeit
haben.»

Der Landrat ist zurzeit ganz persönlich von den Corona-Maßnahmen
betroffen: Wegen einer Corona-Infektion im familiären Umfeld befindet
er sich in Quarantäne. Er ist allerdings negativ getestet worden.
«Ich hab jetzt mein Büro zu Hause», sagte er. Es gehe genauso weiter

wie vorher. «Ich telefoniere, mache meine Video-Konferenzen.»

14 Tage muss Sack in Quarantäne bleiben, denn: Kurz bevor die
Quarantäne Sacks bekannt wurde, war im Landkreis eine neue
Allgemeinverfügung in Kraft getreten, die eine frühere Freitestung
untersagt. «Die habe ich morgens unterschrieben, und abends hat sie
mich getroffen», sagte Sack. «Das ist manchmal so im Leben.»