«Ich habe Mitgefühl» - Wie Studenten unter der Pandemie leiden

Online-Kurse, Einsamkeit und Versagensängste: Die Pandemie stellt für
viele Studierende eine psychische Belastung dar. Die psychologischen
Beratungsstellen in Sachsen-Anhalt erleben mitunter schwerere Fälle.

Halle (dpa/sa) - Der Einstieg ins Studium ist für die meisten
Studenten auch in regulären Zeiten eine Herausforderung. Die Umstände
der Pandemie sorgen nun bei vielen für Ernüchterung in einem neuen
Lebensabschnitt. «Sie kennen weder die Dozenten, ihre Kommilitonen
noch sind sie mit der Technik vertraut», erzählt Elke Eckhardt von
der Psychologischen Beratung für Studierende an der Hochschule Anhalt
in Bernburg.

Studenten, die in ihre Beratung kämen, hätten insbesondere Probleme
mit dem aktuellen Lehrplan, der größtenteils durch Online-Kurse
bedient werde, sagt sie. Die Studierenden kämen mitunter nicht mit.
Insbesondere Anfänger fühlten sich allein und sich selbst überlassen.

Durch die veränderten Abläufe hätten viele keine Chance an ein
«Studentenleben mit Routinen und Arbeitsabläufen anzudocken». Einige

der Studenten würden so vereinsamen. «Wenn man von seinem
Personengefüge nicht stabil ist, hat man keine Werkzeuge um in dieser
Situation entgegenzusteuern.»

Die Beratungsstelle in Magdeburg spürt durch den Zulauf, dass die
Pandemie die Psyche einiger Studierender strapaziere. «Es sind
definitiv nicht weniger Anfragen geworden», sagt Mareen Eisenblätter
von der Psychosozialen Studierendenberatung in Magdeburg. Zu den
klassischen Problemen wie Stress im Studium, Konflikte in der Familie
oder Streitigkeiten in der Beziehung kämen nun auch Auswirkungen der
aktuellen Pandemie wie Ängste und Einsamkeit.

Vielen Studierenden fehle der Halt in einem Alltag ohne feste
Struktur. Der Wegfall vieler sonst üblicher Termine wie dem Besuch
einer Vorlesung, erzeuge ein Vakuum, mit dem einige Studierende
überfordert seien, erklärt Eisenblätter. Diese vermeintliche
Freiheit, alles selber planen zu können, nehme einem Teil der
Studierenden den Elan und die Motivation, etwas für das Studium zu
tun.

«Ich habe Mitgefühl», sagt Eisenblätter. Insbesondere international
e
Studierende würden unter der Situation leiden. «Sie sitzen im
Wohnheim, kennen niemanden, kommen nicht raus und vereinsamen
dadurch.» Geringe Sprachkenntnisse erschwerten es manchen
internationalen Studenten, Anschluss zu finden. Zudem stünden nicht
alle Sachsen-Anhalter neuen Kulturen und internationalen Studierenden
offen gegenüber, so Eisenblätter. Die Psychologin berichtet von
Fällen im Verlauf der ersten Welle, in denen asiatische Studierende
als «Corona, Corona» bezeichnet worden seien.

In den Beratungsstellen wünscht man sich mehr Bewusstsein für die
Probleme der Studenten. Jugend schütze nicht vor Ängsten und
Depressionen, sagt Elke Eckhardt von der Beratungsstelle in Bernburg.
Das Thema müsse mehr in der Öffentlichkeit gespiegelt werden. Denn
nicht immer bliebe es bei der studentischen Beratung. In einigen
schwerwiegenderen Fällen empfehlen die Mitarbeiter den Studierenden
sich in eine psychiatrische Behandlung zu begeben.

Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) kennt das Problem, und
hofft bald vom Online-Lehrplan wegzukommen. «Die Hochschulen planen
auch das Sommersemester 2021 wieder grundsätzlich als Hybridsemester,
haben aber durchgehend das Ziel, den Anteil der Präsenzlehre zu
erhöhen», betont der Minister. «Wir wissen alle, wie wichtig die
persönliche Interaktion von Studierenden und Lehrenden im
Hochschulbetrieb ist. Dies kann auf digitalem Wege nur begrenzt
ersetzt werden.» Sobald es die Pandemie-Lage erlaubt, wolle die
Landesregierung mehr Präsenzlehre und studentisches Leben zulassen.