Verstöße gegen Impfreihenfolge - Spahn will Konsequenzen prüfen

Nach zahlreichen Verstößen gegen die festgelegte Impfreihenfolge
werden die Rufe nach Sanktionen für die Verantwortlichen lauter. Die
Bundesregierung will nun Konsequenzen prüfen - und den Umgang mit
übrigen Impfdosen genauer regeln.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will
Sanktionen gegen Menschen prüfen, die sich bei Impfungen gegen das
neue Coronavirus unrechtmäßig vordrängeln. Es gehe darum, ob
Sanktionen Sinn machen könnten, sagte Spahn am Freitag in Berlin. Das
sei im Bundestag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen. Das
Infektionsschutzgesetz kenne bereits Sanktionen, etwa Bußgelder.

Eine Recherche der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass in mindestens
neun Bundesländern bereits Menschen gegen das Coronavirus geimpft
wurden, die noch nicht an der Reihe waren. Dabei kamen etwa
Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum
Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören. In den
meisten Fällen hatten die Verantwortlichen das mit übrig gebliebenen
Impfdosen begründet, die sonst hätten weggeschmissen werden müssen.

Die Reihenfolge der Impfungen ist in der Verordnung des
Bundesgesundheitsministeriums klar geregelt: Zunächst sollen in
Deutschland Menschen über 80 geimpft werden, außerdem
Berufsangehörige, die durch ihre Arbeit in Krankenhäusern,
Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen oder Impfzentren ein besonders hohes
Ansteckungsrisiko haben. Sie gehören der Gruppe der höchsten
Priorität an. Polizisten räumt die Verordnung lediglich eine hohe
Priorität ein, Landräte oder andere Politiker sind nicht gesondert
aufgeführt.

Zwar gilt für jede Dosis - ob übrig geblieben oder nicht - dieselbe
Priorität der zu Impfenden. Explizit vorgeschrieben ist der Umgang
mit den übrigen Dosen aber nicht. Auch das will Spahn nun ändern.
«Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das noch ein
Stück verbindlicher regeln», ergänzte Spahn. So könne das Vorgehen
in
den Impfzentrum noch genauer definiert werden. Übrig gebliebener
Impfstoff könne unter Umständen an Feuerwehrleute oder Polizisten im
Einsatz gehen, die dann aber auch schnell verfügbar sein müssten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte die Bundesregierung zuvor
aufgefordert, die Verstöße zu sanktionieren. «Immer wieder werden
Fälle bekannt, dass sich Menschen unberechtigt impfen lassen», sagte
Vorstand Eugen Brysch. Die Impfstoffverordnung ziele eigentlich auf
eine gerechte Zuteilung des Impfstoffes ab - «deshalb ist es
unverständlich, dass Jens Spahn bis heute keine Sanktionen für
unberechtigte Impfungen in seiner Verordnung vorsieht».

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte die
frühzeitigen Impfungen. «Keiner sollte sich vordrängen», sagte er a
m
Freitag in seiner Regierungserklärung im Landtag in München. Er
warnte auch davor, sich von Dritten zu unberechtigten Impfungen
überreden zu lassen. Es dürfe nicht sein, dass auf der einen Seite
«sozusagen eher ein Büro komplett geimpft wird, anstatt die über
80-Jährigen, die es dringend brauchen und darauf warten».

Mehrere Kommunalpolitiker hatten in den Tagen zuvor eingeräumt, dass
sie bereits gegen Corona geimpft worden waren. Für Aufsehen sorgte
etwa der Oberbürgermeister im sachsen-anhaltischen Halle, Bernd
Wiegand (parteilos). Er hatte am Wochenende nach Fragen von MDR und
«Mitteldeutscher Zeitung» eingeräumt, dass er und zehn Stadträte

bereits eine Impfung bekommen hatten. Auch der Landrat des
Saalekreises, Hartmut Handschak (parteilos).

In Nordrhein-Westfalen waren schon im Januar mehrere Fälle von
Kommunalpolitikern bekannt geworden, die deutlich früher als
vorgesehen geimpft wurden. Unter anderem hatte sich der 31 Jahre alte
Bürgermeister von Hennef, Mario Dahm (SPD), mit einer übrig
gebliebenen Dosis impfen lassen. Ebenfalls schon geimpft ist der
Bürgermeister von Wachtberg, Jörg Schmidt (CDU). Auch der ehemalige
Hennefer Bürgermeister Klaus Pipke wurde bereits geimpft.

Auch in Bayern ließen sich mehrere Kommunalpolitiker verfrüht impfen.
Sowohl der Landrat des Kreises Donau-Ries als auch der
Oberbürgermeister der Kreisstadt Donauwörth haben bereits im Januar
eine Impfung aus übrig gebliebenen Dosen erhalten. Beide Politiker
gaben an, dass sie sich heute anders entscheiden würden. Die
«Augsburger Allgemeine» hatte außerdem aufgedeckt, dass auch der
Augsburger Bischof Bertram Meier und sein Generalvikar Harald
Heinrich schon geimpft wurden.

In Niedersachsen ließen sich der Landrat von Peine und sein
Stellvertreter impfen - beide baten inzwischen dafür um
Entschuldigung. Nach einem Bericht der «Lausitzer Rundschau» wurden
außerdem der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch und
Ordnungsdezernent Thomas Bergner (beide CDU) geimpft, obwohl sie
nicht oben auf der Prioritätenliste standen.

Nicht überall waren aber nur Politiker zu verfrühten Impfungen
gekommen. Im rheinland-pfälzischen Koblenz nutzte die Feuerwehr, die
dort das Impfzentrum betreibt, die Impfreste für das eigene Personal.
Knapp die Hälfte der 127 Geimpften sei nicht Teil der ersten
Prioritätsgruppe gewesen, teilte die Stadt mit. Hamburg impfte bis
Ende Januar bereits 102 Feuerwehrleute und zwei Polizisten. Auch
Mitarbeiter des Krisenstabes und der Gesundheitsbehörde sind in der
Hansestadt schon geimpft worden, darunter auch die Staatsrätin für
Soziales.

330 Polizisten wurden außerdem im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt
im Rahmen eines Feldversuchs geimpft, fast 400 Polizistinnen und
Polizisten haben bereits in Sachsen früher als erlaubt eine
Schutzimpfung bekommen.