An historischem Tennis-Tag: Zverev mit «Feuer» ins Achtelfinale Von Lars Reinefeld und Wolfgang Müller, dpa

Die Corona-Lage in Melbourne hat sich wieder verschlechtert. Die
Metropole am Yarra River geht daher für fünf Tage in den Lockdown.
Die Australian Open werden fortgesetzt - Zuschauer sind aber auch im
Achtelfinale des besten deutschen Tennisprofis nicht mehr erlaubt.

Melbourne (dpa) - Alexander Zverev scherzte nach seinem lässigen
Achtelfinal-Einzug und vor dem historischen Tennis-Lockdown bei den
Australian Open blendend gelaunt mit den Fans im Stadion. Wenn der
letzte im Feld verbliebene deutsche Tennisprofi am Sonntag gegen
Dusan Lajovic jedoch um ein mögliches Viertelfinal-Duell mit dem
angeschlagenen Titelverteidiger Novak Djokovic kämpft, muss er auf
die Unterstützung des Publikums verzichten.

Denn am Freitagabend um 23.30 Uhr Ortszeit erlebten die Fans in der
Rod-Laver-Arena und die Beobachter aus der Ferne mitten im
Drittrunden-Match zwischen Djokovic und dem US-Amerikaner Taylor
Fritz ein Novum: Wegen eines fünftägigen Lockdowns in Melbourne wurde
die Partie unterbrochen, alle Zuschauer mussten das Stadion
verlassen, um spätestens um 23.59 Uhr zu Hause zu sein. Weil für die
Metropole im australischen Bundesstaat Victoria wegen des
Corona-Ausbruchs in einem Flughafen-Hotel ein erneuter Lockdown
verhängt worden war, geht das Turnier vorerst ohne Zuschauer weiter.

Der sichtlich angeschlagene Djokovic setzte sich nach der
mehrminütigen Unterbrechung noch mit 7:6 (7:1), 6:4, 3:6, 4:6, 6:2
gegen Fritz durch. Der Weltranglisten-Erste trifft jetzt auf den an
Nummer 14 gesetzten Kanadier Milos Raonic - falls er bis Sonntag
wieder fit ist. Beim Stand von 1:2 im dritten Satz verließ der 33
Jahre alte Serbe den Platz, um sich behandeln zu lassen. Wegen einer
Hüft- oder Bauchmuskelverletzung wirkte Djokovic gehandicapt und
quälte sich durch die Partie. «Ich habe einfach versucht, im Spiel zu
bleiben. Das ist definitiv einer der speziellsten Siege meiner
Karriere, dass ich das unter diesen Umständen noch geschafft habe»,
sagte er.

Fünf Sätze brauchte auch der US-Open-Sieger und Vorjahresfinalist
Dominic Thiem, ehe er den Australier Nick Kyrgios mit 4:6, 4:6, 6:3,
6:4, 6:4 niedergerungen hatte. Deutlich leichter tat sich der
imponierend auftretende Zverev bei seinem 6:3, 6:3, 6:1 gegen den
französischen Linkshänder Adrian Mannarino. «Ich wollte, dass ihr
nicht so lange in der Hitze sitzen müsst», sagte er zu den
Zuschauern. Vor dem Achtelfinale gegen den Serben Dusan Lajovic
wächst bei dem 23 Jahre alten Hamburger das Selbstvertrauen von Tag
zu Tag. Angesprochen darauf, dass sein Name auf der Favoritenliste
fehle, sagte Zverev: «Ich bekomme das ja alles mit.»

Dass viele Experten ihn nicht nennen, nehme er «schon persönlich»,
sagte Zverev bei Eurosport. «Das gibt mir Feuer. Am Ende des Tages
ist es egal, wer auf der Favoritenliste steht. Am wichtigsten ist es,
wer die Trophäe hochheben wird.»

Ob in der kommenden Woche und am Final-Wochenende wieder Zuschauer
zurückkehren dürfen, ist derzeit noch nicht abzuschätzen. «Wir
arbeiten weiter eng mit der Regierung zusammen, um die Gesundheit und
die Sicherheit von allen Beteiligten zu gewährleisten», sagte
Turnierdirektor Craig Tiley. «Die Spielerinnen und Spieler werden
sich die kommenden fünf Tage in einer sogenannten Blase aufhalten, so
wie sie es bereits seit Monaten gewohnt sind.» Das heißt, sie werden
nur zwischen Anlage und Hotel hin und her pendeln.

Der Ausschluss der Zuschauer bedeutet für die Veranstalter einen
weiteren Rückschlag. Schon vor dem Start war das Grand-Slam-Turnier
von Corona beeinflusst worden. Zunächst hatten sich mehr als 70
Profis sowie Betreuerinnen und Betreuer für zwei Wochen in harte
Hotel-Quarantäne begeben müssen, weil es auf ihren Flügen
Corona-Fälle gegeben hatte. Dann hatten sich mehr als 500 Personen
für etwa einen Tag isolieren müssen, weil ein Hotel-Mitarbeiter
positiv auf das Coronavirus getestet worden war.

«Es ist natürlich schade für jeden Spieler. Tennis ohne Zuschauer ist

anders. Wir spielen für die Zuschauer, wir spielen für die Momente
auf den großen Plätzen vor 20 000 Menschen», sagte Zverev. Seit dem

vergangenen Jahr, als er einen Teil seines Preisgeldes für die Opfer
der Buschfeuer spendete, wird Zverev von den australischen Fans
geliebt. «Ob man Publikumsliebling ist oder nicht, man vermisst die
Menschen so oder so. Aber die Gesundheit geht vor. Man muss auf sein
Land achten, was für die Australier Australien ist, daher kann man
das verstehen», sagte der Weltranglisten-Siebte. «Ein Tennisturnier
ist nicht das Wichtigste auf der Welt für die Menschen jetzt gerade.
Das Wichtigste ist die Gesundheit. Und darauf achten sie jetzt auch.»