NRW setzt trotz Pandemie auf offene Grenzen zu Nachbarn und Nothilfe

Sind Grenzschließungen ein guter Schutzwall gegen die Pandemie? In
NRW wurde diese Frage stets verneint. Stattdessen setzt NRW weiterhin
auf grenzüberschreitende Hilfe für Kranke und für Pendler.
Zwischenbilanz der «Cross-Border Taskforce Corona».

Düsseldorf (dpa/lnw) - Trotz andauernder Corona-Pandemie will die
nordrhein-westfälische Landesregierung weiterhin an offenen Grenzen
zu seinen Nachbarländern Niederlande und Belgien festhalten. «Es wäre

fatal, wenn sich in der Krise wieder alle in nationale
Schneckenhäuser zurückzögen», sagte NRW-Europaminister Stephan
Holthoff-Pförtner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.
Gegenseitiges Vertrauen sei ein wertvolles Kapital: Information als
Mittel gegen Isolation. «In anderen Ländern haben wir gesehen, welche
katastrophalen Folgen geschlossene Grenzen haben können: vergessen
geglaubte Vorurteile wurden wach.»

NRW sei seit Ausbruch der Pandemie einen anderen Weg gegangen und
habe stattdessen auf enge Kooperation gesetzt. Gerade durch den
ständigen Austausch in der grenzüberschreitenden Arbeitsgruppe
«Cross-Border Taskforce Corona» sei es gelungen, die Grenzen zu den
niederländischen und belgischen Nachbarn «auch in schwierigen Zeiten
offen zu halten», unterstrich der CDU-Politiker. Das bleibe «ein
Schlüsselanliegen» der Landesregierung. Mit einem Vorbehalt:
«Entstehen durch die extrem ansteckenden Mutationen neue
Hochrisikogebiete, dann müssen wir neu nachdenken.»

Holthoff-Pförtner zog eine positive Bilanz der seit fast einem Jahr
arbeitenden Einheit, in die sich nach Beamten aus NRW, Belgien und
den Niederlanden später auch Koordinatoren aus Niedersachsen und
Rheinland-Pfalz eingegliedert hatten. Damit erstreckt sich die
Reichweite der «Corona-Taskforce» inzwischen über das gesamte
Grenzgebiet, das Deutschland mit den Niederlanden und Belgien teilt.

Meist fungiere die Arbeitsgruppe als Vermittler - etwa zwischen den
Gesundheitsministerien in NRW und den Niederlanden, die die Aufnahme
niederländischer Patienten auf Intensivstationen in NRW ermöglicht
hatten. Insgesamt hat NRW nach Angaben des Europaministeriums bisher
49 Intensivpflege-Patienten aus dem Nachbarland aufgenommen. Weitere
zwölf Patienten seien in anderen Bundesländern medizinisch betreut
worden. Gleichzeitig sei auf beiden Seiten der Grenze eine zentrale
Koordinierungsstelle geschaffen worden - auch, um zu vermeiden, dass
es in grenznahen Krankenhäusern zu regionalen Überlastungen kommt.

Die Zwischenbilanz des NRW-Europaministeriums nach über 60
Taskforce-Schalten listet viele weitere praktische Hilfen auf: Als
niederländische Zugführer angesichts geschlossener Hotels in NRW
nicht gewusst hätten, wo und wie sie ihre gesetzlichen Ruhezeiten
einhalten könnten, habe die Taskforce Übernachtungsmöglichkeiten
vermittelt. Zum Ende der Ferienzeiten sei durch frühzeitigen
Informationsaustausch ein zügiger Transitverkehr gelungen. Für
Grenzpendler sei zwischen den Finanzministerien geklärt werden:
Homeoffice wird steuerlich wie Arbeit am üblichen Arbeitsort im
Nachbarland bewertet.

Derweil bereitet sich Deutschland auf neue Grenzkontrollen vor. Nach
Angaben des Bundesinnenministeriums wurden Tschechien und Tirol als
Mutationsgebiete eingestuft. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
habe entschieden, ab Sonntag neben den seit der Flüchtlingskrise
bestehenden Binnengrenzkontrollen zu Österreich auch an den Grenzen
zu Tschechien vorübergehende Kontrollen einzuführen, teilte ein
Sprecher mit. Die Bundesregierung stimme sich derzeit mit allen
beteiligten Partnern ab, «insbesondere zu etwaigen
Ausnahmetatbeständen» und werde bald darüber informieren.