Tirol verschärft die Regeln - Grenzkontrollen zu Tschechien nahen

Im Nachbarland Tschechien und Teilen Österreichs grassieren wohl
ansteckendere Varianten des Coronavirus. Die Politik reagiert: Ab
Sonntag soll es auch an der Grenze zu Tschechien stationäre
Kontrollen geben. In Tirol gelten seit Mitternacht strengere Regeln.

Innsbruck/Berlin (dpa) - Im Kampf gegen die sich ausbreitende
südafrikanische Corona-Variante hat das österreichische Bundesland
Tirol in der Nacht auf Donnerstag neue Ausreisebeschränkungen in
Kraft gesetzt. Ein Verlassen des Bundeslands in Richtung Deutschland
oder in angrenzende österreichische Bundesländer ist in den nächsten

zehn Tagen nur mit einem negativen Corona-Test möglich, der nicht
älter als 48 Stunden sein darf. Deutschland will ab Sonntag mit
eigenen Maßnahmen auf die Ausbreitung der Corona-Varianten reagieren.
Am Freitagmorgen (10.15 Uhr) wollen Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, über
die Corona-Lage informieren.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden Tschechien und Tirol
am Donnerstag als sogenannte Virusmutationsgebiete eingestuft.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe entschieden, ab Sonntag
neben den seit der Flüchtlingskrise bestehenden Binnengrenzkontrollen
zu Österreich auch an den Grenzen zu Tschechien vorübergehende
Grenzkontrollen einzuführen, teilte ein Sprecher mit. Die
Bundesregierung stimme sich derzeit mit allen beteiligten Partnern
ab, «insbesondere zu etwaigen Ausnahmetatbeständen» und werde bald
darüber informieren.

In Tirol bereitet vor allem die südafrikanische Corona-Variante große
Sorgen. Zwischen dem 23. Dezember und dem 9. Februar wurden dort 438
bestätigte und teils unbestätigte Fälle dieser Virusvariante
festgestellt. Die Variante gilt als ansteckender. Die Einhaltung der
neuen Maßnahme soll von rund 1200 Polizisten und Soldaten engmaschig
kontrolliert werden. Ein Verstoß kann bis zu 1450 Euro kosten.
Ausgenommen von dieser Vorschrift sind Kinder sowie der Güterverkehr
und die Durchreise ohne Zwischenstopp.

Unter den bislang als Virusmutationsgebiete eingestuften Staaten, für
die ein Beförderungsverbot nach Deutschland gilt, ist bislang kein
Nachbarland. Aus den bereits festgelegten Mutationsgebieten im
Ausland dürfen derzeit fast nur noch Deutsche und Ausländer mit
Wohnsitz in Deutschland einreisen. Außerdem gibt es Sonderregeln für
medizinisches Personal, Transit-Passagiere und den Warenverkehr.

Tschechien ist stark von der Corona-Krise betroffen. Landesweit
meldeten die Behörden am Donnerstag 9446 neue Fälle. Der
EU-Mitgliedstaat mit seinen rund 10,7 Millionen Einwohnern war
bereits als Hochrisikogebiet eingestuft. Reisende aus Tschechien
müssen schon jetzt bei der Einreise einen negativen Corona-Test
vorlegen. Die Ausweisung als Virus-Variantengebiet würde die
Reisemöglichkeiten noch weiter einengen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwahrte sich am
Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» gegen
die Formulierung, die Grenzen zu Tirol und Tschechien würden «dicht
»
gemacht. Er sagte, dass jeder, der aus Tirol oder Tschechien
einreisen wolle, künftig einen negativen Corona-Test vorlegen müsse.
Es gebe dabei keine Ausnahmen.

Die ansteckendere Coronavirus-Variante aus Großbritannien hat nach
Angaben der bayerischen Landesregierung in einigen ostbayerischen
Regionen bei Pendlern aus Tschechien bereits die Oberhand gewonnen.
Der Anteil der mutierten Variante bei positiven Corona-Tests betrage
in Tirschenreuth rund 70 Prozent, in Wunsiedel mehr als 40 Prozent,
sagte Söder bei «Markus Lanz». Beide Städte liegen nahe der
tschechischen Grenze. Sachsen hatte zuvor angesichts drastischer
Corona-Zahlen in Tschechien bereits vor der Entscheidung Seehofers
eine deutliche Einschränkung des Pendlerverkehrs angekündigt.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl (CDU),
begrüßte die Entscheidung des Bundesinnenministers. «Wir haben alle
im vergangenen Frühjahr erfahren, wie schmerzhaft Grenzschließungen
sind. Aber sie sind als Ultima Ratio notwendig, wenn es darum geht,
Leib und Leben von Menschen zu schützen», sagte der
baden-württembergische Innenminister den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Freitag).

Ähnlich äußerten sich die beiden SPD-Politiker Achim Post und Dirk
Wiese. Die offenen Grenzen in Europa seien ein hohes Gut, das es auch
in dieser Krise weiter zu schützen gelte. «Angesichts der aktuellen
Ausbreitung der hochansteckenden Virus-Mutationen, insbesondere auch
in Grenzregionen in Tschechien sowie Österreich sind zeitweilige
Beschränkungen bis hin auch zu stationären Grenzkontrollen gegenüber

diesen Nachbarstaaten in der akuten Krisenlage grundsätzlich
angemessen. Sie müssen aber mit Augenmaß ausgestaltet werden.»

Tschechien kündigte an, ab diesem Freitag drei Grenzbezirke von der
Außenwelt abzuschotten. Betroffen sind die Bezirke Cheb (Eger) und
Sokolov (Falkenau) an der Grenze zu Bayern sowie Trutnov (Trautenau).
Wer dort wohne, dürfe den jeweiligen Bezirk nicht mehr verlassen,
sagte Gesundheitsminister Jan Blatny in Prag. Leute von außerhalb
würden nicht hereingelassen. Ausnahmen gelten für den Weg zur
Arbeitsstätte.

Beim ersten Lockdown im Frühjahr waren für drei Monate nationale
Grenzkontrollen eingeführt worden, um das Einschleppen des Virus aus
dem Ausland so weit wie möglich zu verhindern. Damals hatte es in
einigen Bundesländern Kritik an dieser Maßnahme gegeben, weil
Pendler, Familien und Unternehmen darunter litten.

Der Bundestag beschäftigt sich am Freitag mit dem Vorhaben der großen
Koalition, die Grundlage dafür zu schaffen, dass mehrere
Corona-Regelungen etwa zu Impfungen und Tests über Ende März hinaus
weiterlaufen. Sie beruhen darauf, dass der Bundestag auch weiterhin
eine «epidemische Lage von nationaler Tragweite» feststellt - darüber

soll das Parlament künftig aber regelmäßig neu entscheiden müssen.