Kritik im Landtag an Corona-Beschlüssen - Laschet: «Auf Sicht fahren» Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Karneval fällt dieses Jahr aus. Stimmung gab es im NRW-Landtag an
Altweiber trotzdem. Das lag weniger an den roten Nasen, die die SPD
verteilte, sondern am Unmut über die Corona-Beschlüsse von Bund und
Ländern. Vor allem die FDP als Koalitionspartner von
Ministerpräsident Laschet ist unzufrieden.

Düsseldorf (dpa/lnw) - In Nordrhein-Westfalen sind die
Koalitionspartner CDU und FDP uneins über die Bund-Länder-Beschlüsse

zur Verlängerung des Lockdowns. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)
verteidigte am Donnerstag in einer Sondersitzung des Landtags die
Beschlüsse und lehnte den von SPD und Grünen geforderten Langzeitplan
im Kampf gegen die Corona-Pandemie ab. FDP-Fraktionschef Christof
Rasche kritisierte die zwischen den Ländern und Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) vereinbarten schärferen Inzidenz-Zielmarken und die
Laufzeit des Lockdowns. «Der 7. März ist einfach zu spät. Zwei Wochen

hätten gereicht», sagte er.

Laschet, der zusammen mit der FDP mit nur einer Stimme Mehrheit
regiert, verwies dagegen auf die Gefahr der Virus-Varianten. Das Land
sei jetzt in einer eigenartigen Lage, weil die Infektionszahlen zwar
sänken, aber andererseits eine unkalkulierbare Gefahr durch
Virus-Mutanten drohe. «Das klafft so im Gefühl der Menschen
auseinander: Es wird besser und besser und besser, und die
Wissenschaft sagt: eigentlich reicht das alles nicht.»

Mit einer Neuinfektionsrate von landesweit 62,7 gerechnet auf 100 000
Einwohner binnen sieben Tagen habe NRW den niedrigsten Wert seit dem
18. Oktober erreicht. Dennoch müsse abgewogen werden, sagte Laschet.
Das mutierte Virus könne «irgendwann die jetzige Variante ablösen»,

sagte er. «Daher sind wir jetzt vorsichtig.»

Bund und Länder hatten am Mittwoch vereinbart, den Lockdown
grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern. Sollte die sogenannte
Sieben-Tage-Inzidenz - also Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und
Woche - stabil unter 35 sinken, sollen die Beschränkungen von den
Ländern schrittweise gelockert werden - zunächst für Einzelhandel,
Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen.

Laschet rechtfertigte auch, dass Friseure schon am 1. März wieder
aufmachen dürfen. «Von mir aus können die Haare noch ein bisschen
länger wachsen.» Er sei ja auch kein Bundesligaspieler. Aber das, was
wir witzig finden, ist für viele Menschen eine ganz existenzielle,
ernste Frage, die auch zu psychischen und gesundheitlichen Schäden
führen kann.»

Langfristigen Plänen im Kampf gegen das Virus erteilte Laschet erneut
eine Absage. In der derzeitigen Lage sei es «eine Illusion zu
glauben, man könne das Schritt für Schritt so planen», sagte der
CDU-Bundesvorsitzende. «Ich würde weiter dafür plädieren, auf Sicht

zu fahren.» Er sicherte zu, dass Bund und Länder in ihrer nächsten
Runde am 3. März über weitere Öffnungsschritte beraten werden. Dazu
gehörten Kontaktbeschränkungen, Kultur, Sport in Gruppen, Freizeit,
Gastronomie und Hotels.

SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty forderte dagegen eine
langfristige Strategie und klare Perspektiven für die Menschen bei
den weiteren Corona-Maßnahmen. «Wir brauchen Klartext», sagte er.
Selbst CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen räumte ein, es greife «eine Art

Corona-Müdigkeit um sich, die zu einer ebenso großen Gefahr werden
kann wie das Virus selbst».

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sagte, es gebe keine
abgestimmte Kommunikation in der CDU/FDP-Koalition. «Uns reicht das
Auf-Sicht fahren nicht aus. Denn wer auf Sicht fährt, stochert im
Nebel.» Dass Laschet es nicht schaffe, als CDU-Bundeschef einen
eigenen Plan vorzulegen, sei eine «verpasste Chance». Von Laschet als

Ministerpräsident würden aber konkrete Pläne erwartet, die Vertrauen

in politische Maßnahmen schafften.

FDP-Fraktionschef Christof Rasche betonte zwar den Zusammenhalt der
schwarz-gelben Koalition, die in NRW «hervorragend» zusammenarbeite,
auch wenn sie unterschiedliche Ideen habe. Dass die Kanzlerin ihren
Widerstand gegen die Öffnung der Schulen aufgegeben habe, sei auch
ein «eindrucksvoller Erfolg dieser NRW-Koalition».

An den weiteren Beschlüssen ließ Rasche aber kein gutes Haar. Dass
die Inzidenz-Zielmarke für weitere Öffnungen auf die Marke 35 trotz
sinkender Infektionszahlen gesenkt werde, sei für die Menschen nicht
mehr zu verstehen. «Jetzt wird plötzlich ein neuer Inzidenzwert
einfach so aus der Schublade gezogen. Die Menschen in unserem Land
verstehen das nicht.» Auch die weiter geltenden Kontaktbeschränkungen
auf einen Haushalt plus eine Person seien «weltfremd» und
«überzogen».

AfD-Fraktionschef Markus Wagner bezeichnete den Inzidenzwert als kaum
aussagekräftig. Er sei manipulierbar. Es komme nur darauf, wieviele
Menschen und wer getestet werde. Verträge und Gesetze gälten nicht
mehr im Land. Mehr als 100 Mal hätten Gerichte schon gegen
Corona-Maßnahmen entschieden.