Merkel verteidigt längeren Lockdown - Schulen öffnen teils im Februar

Die Menschen in Deutschland müssen mindestens bis in den März mit den
meisten Einschränkungen des Corona-Lockdowns leben. Merkel findet das
«verhältnismäßig» - Opposition und Wirtschaft protestieren.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eindringlich
um Unterstützung für die Verlängerung des Lockdowns bis in den März

geworben. «Die allermeisten der beschlossenen Maßnahmen müssen
konsequent beibehalten werden», mahnte Merkel am Donnerstag in einer
Regierungserklärung zur Corona-Pandemie vor dem Bundestag. Von der
Opposition kam harte Kritik. Handel und Wirtschaft reagierten teils
bestürzt auf die andauernden Schließungen.

Bund und Länder hatten am Vortag beschlossen, dass sämtliche Branchen
bis auf die Friseure zunächst weiter geschlossen bleiben. Viele
Grundschulen und Kitas sollen bereits vom 22. Februar an wieder
schrittweise ihren Betrieb aufnehmen. Die Friseure dürfen am 1. März
wieder öffnen.

Merkel räumte Fehler bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie ein. Die
erste Welle im vergangenen Frühjahr habe Deutschland weniger hart
getroffen als viele andere Staaten. «Dann waren wir nicht vorsichtig
genug und nicht schnell genug», sagte sie. Begrenzte Schließungen im
November hatten zur zweiten Welle geführt. Merkel verteidigte die nun
beschlossene weitgehende Verlängerung als «geeignet, erforderlich und
verhältnismäßig».

Die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder hatten beschlossen,
dass die wesentlichen Corona-Maßnahmen bis zum 7. März fortgeführt
werden sollen. Insbesondere der Handel darf demnach erst bei einer
regionalen Inzidenz von 35 wieder öffnen. Die Zahl markiert die
binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner.
Eine Ausnahme gibt es für Friseure, die bei strikter Einhaltung von
Hygieneauflagen in zweieinhalb Wochen wieder aufmachen dürfen. Auch
Schulen und Kitas können wieder öffnen - dies wurde in das Ermessen
der einzelnen Bundesländer gestellt.

Viele Kita-Kinder und Grundschüler dürften nach Ablauf kommender
Woche wieder in ihre Einrichtungen gehen - etwa in
Nordrhein-Westfalen, Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz,
Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin und Hessen.
Mecklenburg-Vorpommern will am 24. Februar starten. Geknüpft wird die
Rückkehr teilweise auch an bestimmte Zahlen zur Corona-Verbreitung.
Die meisten älteren Schüler werden voraussichtlich erst im März ihre

Einrichtung wieder von innen sehen.

Merkel machte deutlich, dass sie für Schulen und Kitas lieber einen
strengeren Kurs gehabt hätte, auch wenn die Anspannung der Eltern
groß sei. «Aber ich habe auch akzeptiert, dass es eine eigenständige

Kultushoheit der Länder gibt.»

Die Kanzlerin mahnte trotz sinkender Tendenz der
Corona-Infektionszahlen zu Zurückhaltung. Auch SPD-Fraktionschef Rolf
Mützenich sagte: «Die Erfolge sind sichtbar, aber zerbrechlich.»
Merkel nannte die auftretenden Mutationen als Grund für größte
Vorsicht: «Noch ist nicht alles auserforscht, aber wir tun gut daran,
an den Annahmen vieler Expertinnen und Experten aus dem In- und
Ausland nicht zu zweifeln, wenn sie uns erklären, alle drei
Mutationen sind deutlich aggressiver, also ansteckender, übertragen
sich leichter als das Ursprungsvirus.»

Die Sieben-Tage-Inzidenz sank vom Höchststand mit 197,6 im Dezember
nun auf bundesweit 64,2. Binnen eines Tages nun aber trotzdem 10 237
Corona-Neuinfektionen und 666 neue Todesfälle. Experten warnen aber
vor einem erneuten Hochschnellen der Zahlen durch die
Virus-Varianten.

Die Opposition ging mit der Regierung hart ins Gericht.
FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte, auch nach einem Jahr sei
«Wir bleiben Zuhause» der wesentliche Grundsatz. «Das ist bestenfalls

einfallslos. Mit Sicherheit, Frau Merkel, ist das nicht
alternativlos.» Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der
Regierung Rechtsbruch und «ins Unermessliche» wachsende
Kollateralschäden vor. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte:
«Vom Pandemie-Weltmeister im Frühjahr sind wir abgestiegen in den
Impfkeller Europas.» Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt
mahnte weiterreichende Strategien für das Land an.

Perspektiven forderten auch Gastgewerbe, Tourismus, Mittelstand und
Immobilienwirtschaft. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des
Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, sagte: «Dass Hotels und
Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt
werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus.» Der
Handelsverband Deutschland (HDE) warf der Politik Wortbruch vor. Die
Politik bleibe einen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown» schuldig,
klagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Erleichterung herrscht in der Friseurbranche. Direkt nach dem
Bund-Länder-Beschluss setzte laut Zentralverband des Deutschen
Friseurhandwerks ein Run auf Termine ein. «Eine ganze Branche atmet
auf, endlich haben wir eine Perspektive und Planungssicherheit»,
sagte Präsident Harald Esser.

Angesichts der massiven Kritik an der schleppenden Auszahlung der
zugesagten Corona-Wirtschaftshilfen stellte sich die Kanzlerin hinter
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU): «Ich weiß, wie viele Menschen auf das Geld warten»,
sagte sie. «Ich weiß, wie der Einzelhandel leidet und andere auch.»
Die «sehnlichst erwarteten» Anträge auf die Überbrückungshilfe II
I
könnten nun aber gestellt werden.