Städte und Kreise prüfen nächtliche Ausgangsbeschränkung

Das Land möchte an nächtlichen Ausgangsbeschränkungen festhalten -
zumindest in Regionen mit einem Inzidenzwert über 50. Doch ob die
Beschränkungen so schnell in Kraft treten wie von der Regierung
gewünscht, ist offen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Nächtliche Ausgangsbeschränkungen sollen nach
dem Willen der Landesregierung möglichst ohne Unterbrechung
weitergehen - zumindest in Regionen mit hohen Corona-Zahlen. Bevor
sie in Kraft treten können, müssen die betroffenen Kommunen jedoch
eine Allgemeinverfügung erlassen. Wie schnell das jeweils geht, ist
noch offen. Das Gesundheitsministerium hatte Städte und Kreise mit
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen
sieben Tagen verpflichtet, Ausgangsbeschränkungen zwischen 21.00 und
5.00 Uhr zu erlassen. Ein entsprechender Erlass ging am späten
Mittwochabend an die Kommunen.

Eigentlich sollten die neuen Regeln von Donnerstag an gelten - denn
mit diesem Tag lief die landesweite Regelung nach einer Entscheidung
des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim aus. Die Landesregierung wollte
über Fastnacht keine Lücke bei den Ausgangsbeschränkungen aufkommen
lassen. Dies wird voraussichtlich aber nicht überall möglich sein.

Der Ortenau-Kreis folgte dem Erlass insofern nicht, dass er trotz
einer Sieben-Tage-Inzidenz von noch über 50 Ausgangsbeschränkungen
kippt. Landrat Frank Scherer sagte, dass die Menschen im Ortenaukreis
nun ein wenig mehr Freiheit zurückerhalten könnten; denn das
Gesundheitsamt habe aufgrund seiner konsequenten
Kontaktpersonennachverfolgung einen besonders guten Überblick über
das Infektionsgeschehen. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass das
Eindämmen des Virus durch den Wegfall der Ausgangssperre erheblich
gefährdet werde.

Mehrere Kommunen, die bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz über
dem Wert von 50 liegen, teilten mit, dass sie den Erlass derzeit noch
prüfen. In der Landeshauptstadt gibt es bis auf weiteres keine
Ausgangsbeschränkungen mehr. Dagegen wird in der zweitgrößten Stadt
Mannheim die nächtliche Ausgangssperre fortgeführt. Auch in anderen
Kommunen wurde die erneute Mobilitätseinschränkung noch am Donnerstag
verkündet, etwa in Heilbronn, im Kreis Karlsruhe, im
Neckar-Odenwaldkreis, im Landkreis Biberach oder im
Schwarzwald-Baar-Kreis. Mehrere Sprecher von Kommunen sagten, eine
Allgemeinverfügung zu Ausgangsbeschränkungen könne frühestens am
Donnerstag verkündet werden und um Mitternacht in der Nacht zum
Freitag in Kraft treten.

Ein Sprecher des Alb-Donau-Kreises sagte, man werde die Kriterien des
Erlasses sowie das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gründlich
prüfen, bevor eine Entscheidung über erneute Grundrechtseingriffe
beschlossen werde. Zuletzt lagen 26 der 44 Stadt- und Landkreise im
Südwesten über dem Wert von 50.

Bevor die Ausgangsbeschränkungen erlassen werden können, müssen noch

zwei weitere Voraussetzungen neben der 50er-Inzidenz erfüllt sein:
Das Gesundheitsamt muss «eine erhebliche Gefährdung der wirksamen
Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus» erkennen. Zudem muss ein
«diffuses Infektionsgeschehen» feststellbar sein. Davon spricht man,
wenn ein Anstieg der Infektionen nicht einem bestimmten Ort
zugeordnet werden kann - beispielsweise einem Pflegeheim. Die neuen
Ausgangssperren sollen wieder aufgehoben werden, sobald die
Sieben-Tage-Inzidenz mindestens drei Tage in Folge unter 50 liegt.

Damit sich jeder informieren kann, wo derzeit Ausgangsbeschränkungen
gelten, möchte das Gesundheitsministerium eine Liste der betroffenen
Kommunen auf seiner Webseite veröffentlichen, wie ein Sprecher sagte.
Bis wann die Liste verfügbar sein wird, war zunächst unklar.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderte in einer Sondersitzung
des Landtags am Donnerstag: «Diese Verordnung gängelt die
Bevölkerung. Heben sie diese Ausgangsbeschränkung auf, Herr
Ministerpräsident.»

Die landesweiten Ausgangsbeschränkungen hatte der
Verwaltungsgerichtshof am Montag gekippt - sie galt eine Stunde
länger, nämlich zwischen 20.00 und 5.00 Uhr. Die Richter hatten die
Regelung angesichts der sinkenden Infektionszahlen als nicht mehr
verhältnismäßig bezeichnet.