Wirtschaftsverbände reagieren mit Unmut auf Lockdown-Fortsetzung

Für die Verlängerung des Corona-Lockdowns in vielen Branchen zeigen
führende Wirtschaftsvertreter aus dem Südwesten kaum Verständnis. Die

Wortwahl ist sehr deutlich.

Stuttgart (dpa/lsw) - Führende Wirtschaftsverbände im Südwesten haben

mit Unmut und Frust auf die Entscheidung von Bund und Ländern
reagiert, die Corona-Beschränkungen für die meisten Branchen weiter
nicht zu lockern. Die Verlängerung des Shutdowns bis zum 7. März sei
«der nächste Schlag für unsere bereits taumelnden Branchen», teilte

der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) am
Donnerstag in Stuttgart mit. Der Handelsverband Baden-Württemberg
nannte die Beschlüsse «eine Ohrfeige ins Gesicht jedes Händlers, der

bisher alle Corona-Maßnahmen und Lockdown-Verlängerungen klaglos
mitgemacht und hingenommen hat». Der Hotel- und Gaststättenverband
Dehoga Baden-Württemberg erklärte, die Frustration in der eigenen
Branche sei groß, weil weiter eine Öffnungsperspektive fehle. «Das
macht viele Betriebsinhaber und Mitarbeiter fassungslos.»

BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke warf den Entscheidungsträgern vor,
die Zeit der Ungewissheit für viele Branchen nochmals verlängert zu
haben. «Tausende Soloselbständige, Unternehmerinnen und Unternehmer
aller Betriebsgröße kämpfen ums Überleben. Geschäftsaufgaben sind

traurige Realität geworden. Doch anstatt eines differenzierten
Öffnungskonzeptes als Perspektive für harte Wochen von Entbehrungen
und Substanzverlust steht einmal mehr viel Ungewissheit.»

Bund und Länder hatten sich am Mittwochabend trotz sinkender
Infektionszahlen darauf geeinigt, die geltenden Maßnahmen wie
Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Gastronomiebetrieben
und Hotels grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern. Eine Ausnahme

soll es für Friseure geben, die bereits ab Anfang März wieder öffnen

dürfen. Erst wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz der
Neuinfektionen bis zum 7. März landesweit stabil unter 35 sinkt,
könnte nach bisherigen Planungen unter anderem der Einzelhandel unter
Auflagen wieder aufmachen. Ganz offen bleibt aber, wann es für
Restaurants, Hotels, Discos und Bars wieder losgehen könnte.

Die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, Sabine Hagmann,
bezeichnete die erzwungene Fortsetzung der Schließung der meisten
Einzelhandelsgeschäfte als nicht nachvollziehbar. Sie verwies auf
Untersuchungen, wonach das Infektionsgeschehen im Handel «deutlich
unter dem Durchschnitt anderer Branchen» liege.

Hagmann warb um umfangreichere staatliche Hilfen als vorgesehen:
«Wenn der Handel schließen muss, obwohl er zum Infektionsgeschehen
nicht beiträgt, sondern nur, um anderen Wirtschaftsbranchen eine
Weiterarbeit zu ermöglichen, dann muss er für den dadurch
entstehenden Schaden umfassend entschädigt werden und das schnell.
Einzig der teilweise Ersatz von Betriebskosten, wo man um jeden Cent
ringen muss sowie Kredite, ist keine adäquater Entschädigung.»

Der Handelsverband rechnet bereits seit längerem im schlimmsten Fall
mit coronabedingt bis zu 12 000 Geschäftsschließungen und Insolvenzen

in der Branche in den kommenden zwei Jahren. Hagmann warnte vor einer
«Entlassungswelle im Handel und am Ende auch katastrophalen
Auswirkungen auf die Innenstädte».

Der Baden-Württembergische Handwerkstag zeigte sich zwar erfreut über
die Öffnungsperspektive für die Friseure, ließ aber zugleich
Unverständnis erkennen: «Insgesamt sind wir enttäuscht, dass Bund und

Land trotz mehrerer Vorschläge für Öffnungsstrategien von
verschiedenen Bundesländern, aber auch Branchenverbänden nicht
mutiger und klarer vorangeschritten sind.» Die Ausrufung des eines
neuen maßgeblichen Inzidenzwerts von 35 statt wie bisher 50 sei
«nicht verlässlich, um nicht zu sagen: beliebig». So werde bei
Betrieben und der Bevölkerung erneut Unsicherheit darüber erzeugt,
«wie lange die aktuellen Grenzwerte überhaupt Bestand haben».