Kretschmann hält Grenzschließung wegen Virusmutanten für möglich

An der bayerischen Grenze zu Österreich und Tschechien gibt es bald
wieder strikte Kontrollen - wegen der Corona-Mutanten. Auch
Baden-Württemberg schließt nicht mehr aus, den Grenzverkehr wie im
Frühjahr einzuschränken. Dagegen regt sich Widerstand.

Stuttgart/Berlin (dpa/lsw) - Baden-Württembergs Ministerpräsident
Winfried Kretschmann (Grüne) schließt wegen der Gefahr durch die
Mutanten des Coronavirus Grenzkontrollen wie im Frühjahr nicht aus.
Wenn sich die Virusvarianten in den Nachbarländern immer stärker
ausbreiteten, «kann das natürlich im Extremfall auch zu
Grenzschließungen führen», sagte Kretschmann am Donnerstag im Landtag

in Stuttgart.

«Wir wollen sie natürlich vermeiden», beteuerte der Grünen-Politike
r.
Das bleibe die Linie, doch könne sich das insbesondere wegen der
Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante auch ändern. Er sagte
zu, sich mit den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und des
Saarlands, Malu Dreyer (SPD) und Tobias Hans (CDU), wegen der Grenze
zu Frankreich absprechen zu wollen.

Beim ersten Lockdown im Frühjahr waren nationale Grenzkontrollen
eingeführt worden, um das Einschleppen des Virus aus dem Ausland so
weit wie möglich zu verhindern. Damals hatte es herbe Kritik an
dieser Maßnahme gegeben, weil Pendler, Familien und Unternehmen
darunter litten.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) trat auf die Bremse. Noch seien die
Voraussetzungen für einen solchen Schritt längst nicht erfüllt.
Hintergrund ist, dass Frankreich vom Auswärtigen Amt als
Corona-Risikogebiet eingestuft wird. Allerdings könnte es demnächst
in ein Hochinzidenzgebiet hochgestuft werden. Die höchste Stufe ist
«Virusvarianten-Gebiet».

Die Bundesregierung stufte am Donnerstag Tschechien und Tirol als
sogenannte Virusmutationsgebiete ein. Bundesinnenminister Horst
Seehofer (CSU) habe entschieden, ab Sonntag neben den seit der
Flüchtlingskrise bestehenden Binnengrenzkontrollen zu Österreich auch
an den Grenzen zu Tschechien vorübergehende Grenzkontrollen
einzuführen, teilte ein Sprecher mit.

Unter den bislang als Virusmutationsgebiete eingestuften Staaten, für
die ein Beförderungsverbot nach Deutschland gilt, ist bislang kein
Nachbarland. Aus den bereits festgelegten Mutationsgebieten im
Ausland dürfen derzeit fast nur noch Deutsche und Ausländer mit
Wohnsitz in Deutschland einreisen. Außerdem gibt es Sonderregeln für
medizinisches Personal, Transit-Passagiere und den Warenverkehr.

Tschechien war bereits als Hochrisikogebiet eingestuft. Es solle nun
- wie etwa Großbritannien - zum Virusvarianten-Gebiet erklärt werden,
sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Reisende aus
Tschechien müssen schon jetzt bei der Einreise einen negativen
Corona-Test vorlegen. Die Ausweisung als Virus-Variantengebiet würde
die Reisemöglichkeiten noch weiter einengen.

In der Grenzregion zwischen dem Südwesten und Frankreich regte sich
Widerstand gegen mögliche strikte Grenzkontrollen. Die geschlossenen
Grenzen im vergangenen Jahr hätten massive Auswirkungen auf den
Alltag der Bürgerinnen und Bürger gehabt - sowohl im beruflichen als
auch im privaten Bereich, erklärte Christian von Wartburg, Präsident
des Oberrheinrats. Das Gremium versammelt Politiker aus dem Elsass,
aus Baden, der Südpfalz und der Nordwestschweiz, die sich für die
Belange der Region einsetzen.

Jetzt müssten pragmatische Regeln gefunden werden, forderte von
Wartburg. Die Pandemie müsse mit grenzübergreifenden Maßnahmen
bekämpft werden, statt mit schärferen Kontrollen und nationalen
Reflexen. Josha Frey, Mitglied des Landtags Baden-Württemberg und
Vize-Präsident des Oberrheinrats, schlug darüber hinaus mobile
Teststationen an den Grenzen vor, sollte eine Testpflicht eingeführt
werden.

Die Bürgermeisterin der Elsass-Metropole Straßburg, Jeanne
Barseghian, warnte vor Grenzschließungen. «Wir müssen alles dafür
tun, um zu verhindern, dass wir wieder eine Situation wie im Frühjahr
erleben», erklärte Barseghian. Die Grenzschließungen von damals sei
eine «schmerzhafte Erinnerung» für die Bewohner der Region. Sie seien

darauf angewiesen, sich frei über die Grenze bewegen zu können.