Merkel räumt Fehler bei Corona-Bekämpfung ein

Einen Tag nach den jüngsten Corona-Beschlüssen erläutert die
Kanzlerin im Bundestag ihre Politik. In ihrer Regierungserklärung
gibt sie sich auch selbstkritisch. Aber nur beim Blick in die
Vergangenheit.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Fehler bei der
Bekämpfung der Corona-Pandemie eingeräumt und zugleich die am Vortag
beschlossene Lockdown-Verlängerung verteidigt. Die erste Welle im
vergangenen Frühjahr habe Deutschland weit weniger hart getroffen als
viele andere Staaten, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag im
Bundestag. «Dann waren wir nicht vorsichtig genug und nicht schnell
genug.» Man habe auf die Anzeichen der zweiten Welle und die
Warnungen verschiedener Wissenschaftler «nicht früh und nicht
konsequent genug das öffentliche Leben wieder heruntergefahren». Die
weitgehende Verlängerung der einschneidenden Maßnahmen gegen die
Pandemie nannte Merkel in ihrer Regierungserklärung «geeignet,
erforderlich und verhältnismäßig».

Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Vortag
beschlossen, dass der Lockdown bis zum 7. März verlängert werden
soll. Eine Ausnahme gibt es für Friseure, die bei strikter Einhaltung
von Hygieneauflagen bereits am 1. März wieder aufmachen dürfen. Auch
Schulen und Kitas können wieder öffnen - dies wurde in das Ermessen
der einzelnen Bundesländer gestellt. Einige haben bereits Öffnungen
noch im Februar angekündigt.

Merkel machte deutlich, dass sie für Schulen und Kitas lieber einen
strengeren Kurs gehabt hätte. Die Folgewirkungen der wochenlangen
Schließungen seien natürlich spürbar und die Anspannung der Eltern
sei groß. «Und trotzdem hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht,
dass wir auch hier entlang der Inzidenz entscheiden, aber ich habe
auch akzeptiert, dass es eine eigenständige Kultushoheit der Länder
gibt, vielleicht das innerste Prinzip der Länder.»

Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik auf die Beschlüsse.
FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte, auch nach einem Jahr sei
«Wir bleiben Zuhause» der wesentliche Grundsatz. «Das ist bestenfalls

einfallslos. Mit Sicherheit, Frau Merkel, ist das nicht
alternativlos», sagte Lindner. Die FDP habe kein Verständnis dafür,
dass vorhandene Technologien nicht genutzt würden, beispielsweise im
großen Stil Schnelltests einzusetzen oder die Corona-Warnapp zu
erweitern.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Regierung
Rechtsbruch vor: «Was die Bundesregierung hier betreibt, ist
verfassungswidrig», sagte sie. Die Regierung betreibe eine «falsche
Politik, die nur Verbot und Zwang zu kennen scheint». Weidel
monierte: «Drei Monate Wellenbrecher-Lockdown, und Sie wollen noch
mal einen Monat dranhängen. Die Kollateralschäden Ihrer Methode von
Einsperren und Dichtmachen wachsen ins Unermessliche.»

Merkel betonte dagegen: «Die allermeisten der beschlossenen Maßnahmen
müssen konsequent beibehalten werden.» Sie rief angesichts der
auftretenden Virusmutationen zu größter Vorsicht auf: «Noch ist nicht

alles auserforscht, aber wir tun gut daran, an den Annahmen vieler
Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland nicht zu zweifeln,
wenn sie uns erklären, alle drei Mutationen sind deutlich
aggressiver, also ansteckender, übertragen sich leichter als das
Ursprungsvirus.»

Die Kanzlerin verteidigte auch die Entscheidung gegen einen festen
Fahrplan für weitere Öffnungsschritte. Man stehe in einem Kampf mit
dem Virus, sagte sie. «Und das Virus richtet sich nicht nach Daten,
sondern das Virus richtet sich nach Infektionszahlen und nach Fragen,
wie sich die Infektion ausbreitet.»

Angesichts massiver Kritik an der schleppenden Auszahlung der
zugesagten Corona-Wirtschaftshilfen stellte sich Merkel hinter
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU): «Ich weiß, wie viele Menschen auf das Geld warten»,
sagte sie. «Ich weiß, wie der Einzelhandel leidet und andere auch.»
Die «sehnlichst erwarteten» Anträge auf die Überbrückungshilfe II
I
könnten nun aber gestellt werden.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte, konkrete Hilfen für die
Wirtschaft müssten nun auch endlich ankommen. Genügend Geld stehe
bereit. Bislang komme die deutsche Wirtschaft besser durch die Krise
als andere Volkswirtschaften. Mützenich warb ebenfalls für Vorsicht
bei weiteren Lockerungsschritten: «Die Erfolge sind sichtbar, aber
zerbrechlich», sagte er. «Die Rückkehr zu einem weniger beschränkte
n
Alltag muss anhand dynamischer und nachvollziehbarer Kriterien nach
und nach entstehen.»

Als eine Lehre aus der Pandemie verlangte Unionsfraktionschef Ralph
Brinkhaus eine deutlich bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern
bei der Katastrophenvorsorge. Die Corona-Pandemie werde nicht die
letzte Katastrophe sein, sagte der CDU-Politiker. Es gebe
«Super-Katastrophenstäbe» in den Landkreisen und Städten, regional

sei man mit Feuerwehren und Hilfsorganisationen «super aufgestellt».
Lücken sah Brinkhaus aber bei der Koordination zwischen Bund und
Ländern. «Wir müssen Katastrophen üben, wir müssen Automatismen
schaffen, dass wir mit diesen Katastrophen besser klar kommen.»

Auch Brinkhaus sah Schulöffnungen kritisch: «Ich habe da meine
Zweifel, ob das in dieser Phase richtig ist.»