«Der Bund hat kapituliert» - Scharfe Kritik an Plänen für Schulen

Die Kanzlerin wollte die Schulen erst ab 1. März wieder öffnen.
Durchsetzen konnte sie sich damit nicht. Etliche Länder peilen
frühere Termine an. Ein einheitliche Regelung gibt es nicht. Sehr zum
Unmut von Lehrern, Schülern und Bildungsverbänden.

Berlin (dpa) - Der Verzicht von Bund und Ländern auf einen
einheitlichen Fahrplan zur Öffnung der Schulen stößt auf scharfe
Kritik. Bildungsverbände, Gewerkschaften und Schülervertreter
verurteilten den Beschluss, dass die Länder selbst über die weiteren
Schritte entscheiden. «Den Ländern freie Hand zu geben, ist ein
Eigentor», sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND/Donnerstag). Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen werde dadurch
weiter sinken.

Die Ministerpräsidenten hatten bei ihren Beratungen mit Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) am Mittwoch keine einheitliche Regelung für die
Öffnung der Schulen festgelegt. Etliche Länder wollen die Schulen
bereits im Februar schrittweise öffnen, andere erst später. Berlin
plane diesen Schritt für den 22. Februar, sagte der Regierende
Bürgermeister Michael Müller (SPD). Auch andere Länder orientierten
sich an diesem Termin. Merkel sagte, sie hätte mit der Öffnung gerne
erst ab dem 1. März begonnen. Die Länder, die für Bildung zuständig

sind, hätten dies aber anders beurteilt.

«Der Bund hat beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern
kapituliert», sagte Tepe. Weder die Kultusministerkonferenz noch
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hätten bis heute eine
klare Strategie und einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen
Stufenplan vorgelegt. Ein solcher Plan müsste deutlich machen, bei
welchen Inzidenzwerten welche Maßnahmen greifen sollten. «Auf dieser
Grundlage hätten die Länder dann mit Blick auf das
Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren.»

Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter
Meidinger, bemängelte, dass keine einheitliche, an die Inzidenz
gekoppelte Regelung vereinbart wurde. Öffnungen mit Präsenzunterricht
im Wechselbetrieb dürften erst erfolgen, wenn in der jeweiligen
Region die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 Fällen liege, sagte er den
Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Im schlimmsten Fall müssten die
Schulen nach einer zu frühen Öffnung im April oder Mai nochmals
geschlossen werden. Dies könne dazu führen, dass dieses Schuljahr
komplett abgeschrieben werden müsse.

Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann,
verlangte mehr Tests, medizinische Masken für Lehrkräfte und
Kita-Personal. «Wir halten es weiterhin für unabdingbar, dass
bundesweit bei einem vergleichbaren Infektionsgeschehen vor Ort auch
die gleichen Maßnahmen ergriffen werden», betonte er. Ähnlich äuß
erte
sich die Bundesschülerkonferenz: «Ein einheitliches Vorgehen wäre
nicht nur wünschenswert, sondern essenziell gewesen», sagte
Generalsekretär Dario Schramm dem RND.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd
Landsberg, sagte der «Rheinischen Post»: «Wir brauchen kein Orchester

von unterschiedlichen Stufenplänen, sondern bundeseinheitliche
Leitplanken, wie es weitergehen wird. Dies gilt auch für die
möglichen Öffnungen von Schulen.»

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD),
begrüßte die Öffnungsperspektiven für Schulen dagegen ausdrücklic
h.
«Die ersten, die von Lockerungen profitieren, sind Kinder und
Jugendliche. Das ist ein gutes Ergebnis», sagte sie der «Rheinischen
Post» (Donnerstag). «Die Länder werden jetzt verantwortungsvoll bei
den Grundschulen mit schrittweisen Öffnungen beginnen.»

Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sprach von einem
ausgewogenen Beschluss, «der unserer Empfehlung aus dem Dreiklang von
schrittweiser Öffnung von Kitas und Schulen, mehr Testen und
schnellerem Impfen entspricht».

Auf allgemeine Zustimmung stieß hingegen die Überlegung,
Grundschullehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern früher eine
Impfmöglichkeit zu bieten. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern
soll geprüft werden, ob sie durch eine Änderung der Impfverordnung in
der Reihenfolge nach vorne rücken können. Laut Merkel könnten sie so

schon vor dem Sommer drankommen.

Giffey wertete dies als «wichtiges Signal der Anerkennung und des
Schutzes der Arbeit mit den Kleinsten». Der VEB erklärte: «Dies ist
zwingend erforderlich und muss schnellstmöglich umgesetzt werden.»