Trotz Fragezeichen: WHO empfiehlt Einsatz von Astrazeneca-Impfstoff

Die Wirkstoff des Corona-Impfstoffs Astrazeneca wird bei der in
Südafrika zirkulierenden Virusvariante in Frage gestellt. Die WHO
empfiehlt trotzdem: weiterimpfen.

Genf (dpa) - Trotz Berichten über Schwächen des Corona-Impfstoffs von
Astrazeneca empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den
weiteren Einsatz. Erste Studien aus Südafrika zeigten zwar deutlich
weniger Wirksamkeit, um relativ milde Krankheitssymptome zu
verhindern, sagte Alejandro Cravioto, der Vorsitzende eines
Expertenrats, der die WHO in Impffragen berät. Es gebe aber keine
Hinweise darauf, dass der Impfstoff nicht gegen schwere Verläufe von
Covid-19 schütze. Der Rat empfahl deshalb, den Impfstoff weiter
einzusetzen. Die WHO schloss sich der Empfehlung an.

«Die Studienergebnisse aus Südafrika sind wichtig, aber nicht
eindeutig», sagte die WHO-Impfexpertin Kate O'Brien. Unstrittig sei,
dass der Astrazeneca-Impfstoff gegen andere Virusvarianten sehr
effektiv sei. Deshalb würden viele Länder von dem Einsatz
profitieren, denn die südafrikanische Variante des Virus, B 1351, sei
längst nicht in allen Ländern verbreitet.

Selbst dort, wo die südafrikanische Variante vorkomme, gebe es keinen
Grund, den Impfstoff nicht einzusetzen, sagte Cravioto. Es sei bei
allen Impfstoffen üblich, dass die Wirksamkeit bei relativ milden
Krankheitsverläufen weniger deutlich sei als bei schweren Verläufen,
sagte O'Brien. «Es ist plausibel zu erwarten, dass dieser Impfstoff
gegen schwere Krankheitsverläufe wirksam ist.» Zudem sei die für eine

Immunantwort wichtige Reaktion der T-Zellen stark.

Der Unabhängige Expertenrat zu Impfungen (SAGE) besteht aus 26
Wissenschaftlern. Er prüft Studien und Angaben zu allen Impfstoffen
und gibt dann eine Empfehlung ab, ob und wie diese eingesetzt werden
sollen. Für die Corona-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna
gibt es bereits eine Empfehlung.

Im Fall von Astrazeneca empfahl der Rat den Einsatz des Impfstoffs
ohne Altersbegrenzung. Es gebe zwar wenig Daten über die Wirksamkeit
bei Menschen über 65, aber auch keinen Hinweis darauf, dass er bei
älteren Menschen weniger wirksam sei. Cravioto sagte: «Wir gehen
davon aus, dass die Reaktion der älteren Menschen auf den Impfstoff
nicht anders ist.» Die beiden Spritzen sollten im Abstand von acht
bis zwölf Wochen verabreicht werden.

O'Brien betonte, dass alle Geimpften - unabhängig davon, welcher
Stoff ihnen verabreicht wurde - weiterhin alle Corona-Regeln umsetzen
müssten, also auch Abstand halten und Maske tragen. Dies sei wichtig,
weil man nach einer Impfung zwar selbst ein geringeres Risiko
schwerer Krankheitsverläufe habe, andere aber wahrscheinlich weiter
anstecken könne.

Die Empfehlungen dürften Musik für die Ohren der britischen Regierung
sein. In Großbritannien werden Impfungen bereits seit längerer Zeit
im Abstand von zwölf Wochen verabreicht. Erst am Mittwoch hatte die
britische Gesundheitsbehörde mitgeteilt, dass eine Abwandlung der
dort vorherrschenden Virus-Variante inzwischen auch Merkmale trägt,
die von der südafrikanischen Mutante bekannt sind. London dürfte
daher froh sein, dass die WHO das Vertrauen in den Impfstoff des
britisch-schwedischen Konzerns gestärkt hat.

Die WHO hat bislang nur dem Impfstoff von Biontech/Pfizer eine
Notfallzulassung erteilt. Das ist Voraussetzung für den Ankauf und
Einsatz von Impfstoffen durch UN-Organisationen. Viele Länder, die
keine eigenen Kapazitäten zur Beurteilung von Impfstoffen haben,
nehmen dies als Grundlage für ihre eigene Entscheidung.

In Europa ist die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die
Prüfung zuständig. Sie berät die EU-Kommission, die über eine
Zulassung entscheidet. Sie hat bislang drei Corona-Impfstoffe
genehmigt: die von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca.