Regierung warnt vor Engpässen bei bald steigenden Impfstoffmengen

Noch ist Corona-Impfstoff knapp. Doch in den kommenden Monaten werden
Millionen von Dosen erwartet. Sind die Länder gewappnet, sie dann
rasch einzusetzen und Menschen mit ersehnten Impfungen zu versorgen?

Berlin (dpa) - Angesichts steigender Mengen an Corona-Impfstoff für
Deutschland drohen nach Einschätzung der Bundesregierung Engpässe bei
den Impfkapazitäten. Eine erste Berechnung deute darauf hin, dass die
aktuell verfügbare Kapazität in den Impfzentren der Länder samt ihren

mobilen Teams «bereits im März/April 2021» ausgebaut werden müsse,

heißt es in einem Papier des Gesundheitsministeriums für die
Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise am Mittwoch. Aufgrund der
geplanten Lieferungen könnten im zweiten Quartal im Schnitt pro Tag
698 000 Impfungen möglich werden - nach 273 000 im ersten Quartal.

Das Ministerium legte eine genauere Vorausschau der zu erwartenden
Impfstoff-Liefermengen vor. Dies hatten die Ländern anlässlich eines
«Impfgipfels» mit dem Bund am 1. Februar gefordert. Daraufhin
erstellte das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI)
für die Regierung eine «Modellierung von Impfszenarien». Die Experten

rechnen darin mit Schwierigkeiten in den Ländern, den Menschen die
wachsende Zahl der Impfdosen zu verabreichen: «Schon im März könnte

die Kapazität der Impfzentren nicht mehr ausreichen, um alle
verfügbaren Dosen zu verimpfen.» Das ZI glich nach eigenen Angaben
die erwarteten Dosen pro Woche mit der Kapazität der Impfzentren ab.

«Ab Mai entsteht eine Lücke in der Größenordnung von über 3 Milli
onen
Impfungen pro Woche (bis auf circa 7,5 Millionen ansteigend)», heißt
es in der Analyse. Ebenso zeichne sich ab, dass die regionalen
Impfzentren auch bei einer späteren Einbeziehung der normalen
Arztpraxen noch für längere Zeit parallel weiterbestehen müssten.

Bund und Länder wollen den Angaben zufolge nun bis zum 17. Februar
eine umfassende Bestandsaufnahme zu Kapazitäten und Mengen erstellen.
Ziel sei, «eine belastbare Datengrundlage für eine zeitnahe Steuerung
der erforderlichen Kapazitäten über den Impfplan zu schaffen».

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach dem Impfgipfel das Ziel
bekräftigt, allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September
ein Impfangebot zu machen. Laut den ZI-Szenarien könnte das bereits
bis Mitte August für alle Menschen über 18 Jahre gelingen, wenn alle
fraglichen Impfstoffe zugelassen und geliefert werden. Können weiter
nur die bereits zugelassenen drei Impfstoffe eingesetzt werden, würde
es bis Mitte September dauern.

Die Erhebung zeigt auch genauer, wer voraussichtlich wann zum Zuge
kommen kann. So könnten alle drei Bevölkerungsgruppen, die vorrangig
geimpft werden sollen, bis Ende Juni mindestens die erste der zwei
nötigen Impfungen erhalten. Voraussetzung ist, dass die Hersteller
ihre in Aussicht gestellten Impfstoffmengen auch liefern. Damit
könnten unter anderem alle Über-60-Jährigen, Lehrer, Erzieher,
Polizisten und Beschäftigte in Supermärkten bis dahin eine Impfung
bekommen. Sollten vorher noch weitere Impfstoffe zugelassen werden
oder sich nicht alle impfen lassen wollen, könnte die Schwelle
früher, also vor Ende Juni, erreicht sein.

Seit dieser Woche wird auch der Astrazeneca-Impfstoff in Deutschland
eingesetzt - als drittes zugelassenes Präparat nach den Vakzinen von
Biontech/Pfizer und Moderna. Biontech begann nun mit der Produktion
in seinem neuen Werk im hessischen Marburg. Als erster Schritt werde
der Botenstoff mRNA hergestellt, teilte das Unternehmen am Mittwoch
mit. Im ersten Halbjahr 2021 sollen in Marburg 250 Millionen
Impfdosen hergestellt werden, die ersten Impfstoffe von dort sollen
dann voraussichtlich Anfang April ausgeliefert werden.

Spahn hatte bereits gesagt, dass die erste Prioritätsgruppe bis rund
um das Ende des ersten Quartals geimpft werden solle. Das sind die
Über-80-Jährigen, Pflegeheimbewohner, Pflegekräfte in Heimen und das

Personal in Intensivstationen, Notaufnahmen sowie Rettungsdiensten.