Corona-Szenarien für Seehofer: Kerber bat Minister um Erlaubnis

Berlin (dpa) - Für das kurzfristige Einholen von Expertise zur
Corona-Pandemie im März 2020 hat Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) laut seinem Staatssekretär damals grünes Licht gegeben. Er habe
Seehofer vor der Beteiligung der Wissenschaftler für die
Modellrechnungen zu den Folgen der Pandemie um Erlaubnis gebeten,
sagte Staatssekretär Markus Kerber am Mittwoch im Innenausschuss des
Bundestages nach Angaben von Teilnehmern einer nicht-öffentlichen
Sitzung.

Die Modellrechnungen, die Seehofers Ministerium zur Vorbereitung von
Entscheidungen dienen sollten, waren damals binnen weniger Tage
erstellt worden. Forscher von verschiedenen Institutionen wirkten
daran nach Angaben des Ministeriums ohne Honorar mit.

Die «Welt am Sonntag» hatte unter Berufung auf einen umfangreichen
E-Mail-Verkehr zwischen Kerber und den beteiligten Wissenschaftlern
berichtet, das Innenministerium habe Forscher von verschiedenen
Institutionen für politische Zwecke eingespannt. Der parlamentarische
Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, warf dem
Innenministerium daraufhin vor, es habe die Forscher aufgefordert,
inhaltliche Vorgaben zu liefern, um die Bevölkerung «in Angst zu
versetzen».

Dem Vernehmen nach waren die Wissenschaftler gebeten worden, ein
relativ positives, ein sehr negatives und ein Szenario mit
mittelschwerem Pandemie-Verlauf durchzurechnen. Beteiligt waren unter
anderem Experten des Robert Koch-Instituts und der Stiftung
Wissenschaft und Politik sowie Forscher von drei verschiedenen
Universitäten. Zu den Vorschlägen, die modelliert wurden, zählte
beispielsweise eine massive Ausweitung von Tests. Einige der
vorgeschlagenen Maßnahmen wurden später umgesetzt.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle,
forderte das Ministerium auf, «den Schriftwechsel mit dem Robert
Koch-Institut komplett offen zu legen». Er warnte: «Ohne offene
Kommunikation ist die Debatte über die Erstellung des Papiers aus dem
Frühjahr 2020 Wasser auf die Mühlen gefährlicher
Verschwörungstheoretiker.» Eine Aussage des Staatssekretärs hinter
verschlossenen Türen sei da zur Aufklärung nicht ausreichend.