Virologin: Corona-Impfung auch bei Kinderwunsch oder Schwangerschaft

«Fehlinformationskampagnen» über vermeintliche Unfruchtbarkeit durch

Impfungen würden das Vertrauen untergraben, sagt Sandra Ciesek. In
der Debatte um Lockerungen plädiert die Virologin dafür, nicht nur
auf die Inzidenz zu schauen.

Frankfurt/Hamburg (dpa) - Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch
müssen der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek zufolge keine Angst
vor einer Corona-Impfung haben. Der «Mythos», dass die Impfung
unfruchtbar mache, mache vielen Frauen Angst, sagte Ciesek im
NDR-Podcast «Coronavirus-Update». Solche «Fehlinformationskampagnen
»
würden das Vertrauen in die Impfstoffe untergraben. Es handle sich um
«ein Gerücht».

«Es macht biologisch keinen Sinn und es gibt medinzisch keine
Hinweise, dass dieses Gerücht wirklich stimmt und dass die
Fruchtbarkeit beeinträchtigt wird durch die Impfung und die
Antikörper, die gegen das Spike-Protein gebildet werden», sagte die
Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am
Universitätsklinikum Frankfurt. Seit Beginn der Pandemie habe es
weltweit Millionen Infektionen gegeben. «Es gibt keinerlei Hinweise
oder Berichte, dass das zu einer Unfruchtbarkeit bei Frauen geführt
hätte - da werden ja auch Antikörper gebildet.»

Auch Schwangere könnten sich impfen lassen. Zwar würden Impfstoffe in
frühen Studienphasen nicht an Schwangeren getestet. «Das heißt aber
nicht, dass das Unternehmen hier eine spezielle Gefahr sehen würde»,
sagte Ciesek. Es sei vielmehr «das normale Vorgehen», dass man neue
Präparate nicht an sensiblen Gruppen wie Kleinkindern oder
Schwangeren teste. «Die Erkrankung ist prinzipiell gefährlicher für
Schwangere als die Impfung.»

Kurz vor der nächsten Entscheidungsrunde über die weiteren
Corona-Maßnahmen plädiert Ciesek dafür, nicht nur auf die Inzidenz zu

schauen. Dieser Wert gibt an, wie viele bestätigte Neuinfektionen es
pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gab. Bisher
galt ein Wert unter 50 als Richtgröße für mögliche Lockerungen. «
Aber
ist die Inzidenz alleine wirklich zielführend?», fragte Ciesek.

«Genauso wichtig ist, dass man sich den R-Wert anschaut: Also wie
viele Menschen werden durch einen Infizierten angesteckt.» Bei einem
Wert über Eins müsse man davon ausgehen, dass Infektionen wieder
ansteigen, sobald man mehr Kontakte zulasse. Bei unter Eins könne man
davon ausgehen, «dass eine Lockerung nicht gleich einen so negativen
Effekt hätte.»

Einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor stelle die britische Variante
des Coronavirus dar. Man wisse, dass die Mutation B117 ansteckender
sei, erklärte Ciesek. Mit zunehmender Verbreitung steige also der
R-Wert. Gleichzeitig sinke aber die Zahl der Infektionen mit dem
Wildtyp. «Deswegen ist die Entscheidung im Moment auch sehr
schwierig, inwieweit man lockert und welche Bereiche man lockert.»