Chinesen erwarten Jahr des Rindes: Angst vor Corona bremst Reisewelle Von Andreas Landwehr, dpa

Die Chinesen erwarten das Jahr des Rindes. Nach dem schlimmen
Corona-Jahr der Ratte soll es weniger turbulent werden. Aber auch
wenn China das Virus weitgehend im Griff hat, können Millionen
Chinesen zum Neujahrsfest nicht zu ihren Familien reisen.

Peking (dpa) - Das Coronavirus vermasselt den Chinesen auch ein
zweites Neujahrsfest. Mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie in
Zentralchina haben die Behörden das Milliardenvolk dazu aufgerufen,
zu dem wichtigsten chinesischen Familienfest nicht wie üblich in die
Heimatorte zu reisen. Was sonst die größte jährliche Völkerwanderun
g
der Welt mit Hunderten Millionen Reisenden ist, hat sich zu Beginn
der mehrwöchigen Reisewelle schon auf rund ein Drittel reduziert, wie
Behörden berichteten. «Bleibt, wo ihr seid!», lautet die Ansage.

Dabei bedeutet den Chinesen das Neujahrsfest vielleicht noch mehr,
als wenn in Deutschland Weihnachten und Neujahr zusammenfiele. Hinzu
kommt, dass jeder fünfte Chinese als Wanderarbeiter gilt und nicht
dort arbeitet, wo seine Familie herkommt. Nach dem Mondkalender wird
das neue Jahr in der Nacht zum kommenden Freitag begrüßt: Es ist nach
den chinesischen Tierkreiszeichen das Jahr des Rindes - oder auch des
Ochsen oder Büffels. Nach dem wilden Corona-Jahr der Ratte soll es
friedlicher und harmonischer werden - das sagen zumindest Wahrsager
vorher.

Als das Sars-CoV-2-Virus im Dezember 2019 in Wuhan ausbrach, wurde
kurz vor dem vergangenem Neujahrsfest eine Ausgangssperre für mehr
als 50 Millionen Menschen in der zentralchinesischen Metropole und
benachbarten Städten verhängt. Es war der Beginn der drastischen
Maßnahmen, mit denen das bevölkerungsreichste Land das Virus
weitgehend in den Griff bekommen hat. Der Alltag hat sich inzwischen
wieder normalisiert.

Auf nur wenige Fälle reagiert China seither sofort mit Abriegelung,
Massentests, Kontaktverfolgung und Zwangsquarantäne. Seit dem Sommer
gab es zunächst nur noch wenige lokale Infektionen. Doch erlebte
China seit Jahresanfang in den Provinzen Jilin, Heilongjiang, Hebei
wieder größere Ausbrüche - in Peking und Shanghai einzelne
Ansteckungen. Die Behörden sind alarmiert, weil sie Lücken in der
Vorbeugung vor allem im ländlichen Raum zeigten.

Im Vergleich zur Ausbreitung des Virus in anderen Ländern ist die
Lage in China undramatisch. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen
waren gerade einmal zweistellig. Doch um eine unkontrollierte
Ausbreitung zu verhindern, wurde schon früh davor gewarnt, zum
Neujahrsfest zu den Familien in die Heimat zu reisen. Wer trotzdem
reist, sollte am besten einen negative Corona-Test in der Tasche
haben. Dennoch droht ihm, daheim erstmal zwei Wochen in Quarantäne zu
müssen, was lokale Stellen in Eigenregie anordnen können.

«Soviel Urlaub habe ich nicht», sagt der Pekinger Friseur Wang, der
mit seiner Frau sonst zu jedem Neujahrsfest seinen Sohn in
Nordostchina besucht, der wie häufig in China bei den Großeltern
aufwächst. «Die örtlichen Behörden heißen uns nicht willkommen.
» So
werden sie ihr achtjähriges Kind diesmal nicht sehen können und in
der Hauptstadt bleiben müssen, wo beide vor Jahren Arbeit gefunden
hatten. «Es fällt uns nicht leicht. Aber was sollen wir machen?»

Auch Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihre Mitarbeiter an einer
Heimreise zu hindern. Erzählt wird von Chefs, die vorher die
Kündigung einfordern, wenn einer ihrer Angestellten dennoch reisen
will. «Sie wollen nicht zur Verantwortung gezogen werden, falls es
ein Problem gibt», sagt ein Angestellter eines Sportclubs. Nach der
Rückkehr könne vielleicht ein neuer Vertrag gemacht werden. «Aber
sicher ist das nicht. Wer reist, trägt das Risiko.»

Es gibt auch Anreize wie Einkaufsgutscheine oder die zu Neujahr
üblichen «roten Umschläge» mit Geldgeschenken in Höhe von zum Tei
l
sogar 1000 Yuan, umgerechnet 129 Euro, für Wanderarbeiter, die nicht
in ihre Heimatdörfer reisen. Ein willkommener Nebeneffekt: Der Konsum
wird gleich mit angekurbelt. Dennoch, es wird ein trauriges
Neujahrsfest: Auch Tempelfeste und Neujahrsmärkte wurden abgesagt, um
größere Menschenansammlungen zu vermeiden. «So werden wir alle daheim

hocken und Fernsehen schauen», sagt eine Sekretärin deprimiert.