Kramp-Karrenbauer ruft CDU zum Zusammenhalt auf - Spannung vor Wahl

Laschet, Merz oder Röttgen - wer wird neuer CDU-Chef? An diesem
Samstag wird es feststehen. Es geht um eine Richtungsentscheidung für
die Union. Und möglicherweise auch für ganz Deutschland.

Berlin (dpa) - Mit Zusammenhalt nach der Wahl eines neuen
Vorsitzenden und Einigkeit mit der Schwesterpartei CSU will die CDU
das Superwahljahr 2021 erfolgreich bestehen. «Unterstützen wir
geschlossen den neuen Vorsitzenden der CDU», sagte die scheidende
Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitagabend in ihrer
Abschiedsrede beim digitalen CDU-Parteitag. In einem Grußwort rief
Kanzlerin Angela Merkel dazu auf, ein «Team» zu wählen, «das die
Geschicke unserer stolzen Volkspartei in die Hand nimmt und dann
gemeinsam mit allen Mitgliedern die richtigen Antworten für die
Aufgaben der Zukunft findet».

Kramp-Karrenbauer wies auf den «tiefen Riss» zwischen CDU und CSU bei
ihrem Amtsantritt 2018 hin. «Der Streit brachte uns an den Rand des
Scheiterns unserer Gemeinschaft», sagte sie. «So etwas darf uns nie
wieder passieren.» CSU-Chef Markus Söder dankte ihr in einem Grußwort

ausdrücklich für ihren Einsatz zur Beilegung des Streits und die
verlässliche Zusammenarbeit. Die Union sei seinerzeit sehr
zerstritten gewesen, «zum Teil in sehr schwerer Form», sagte er. «Ich

finde, dass Dein Beitrag für das Zusammenführen der Union einer der
ganz wichtigen Beiträge in dieser schweren Zeit war.»

Die CDU will nach knapp einjähriger Hängepartie an diesem Samstag
ihre offene Führungsfrage klären und einen Nachfolger für
Kramp-Karrenbauer finden. Dafür treten NRW-Ministerpräsident Armin
Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker
Norbert Röttgen an. Der Ausgang der Wahl gilt als völlig offen, auch
weil das Verhalten der allein zuhause teilnehmenden und abstimmenden
1001 Delegierten schwer vorherzusehen ist. Mit der Wahl des CDU-Chefs
dürfte in der Union rasch die Diskussion über den richtigen
Kanzlerkandidaten an Schwung gewinnen.

Kramp-Karrenbauer mahnte: «Stehen wir zusammen ein für eine moderne
und offene CDU, für eine Union, die zusammenhält, für eine CDU, die
so eng mit den Menschen vor Ort verbunden ist wie keine andere
Partei.» Die CDU habe sich weiterentwickelt, betonte sie. Sie habe
den Streit mit der CSU beigelegt und auch «programmatische Lücken»

etwa beim Klimaschutz geschlossen. «Die CDU ist bereit für das
Wahljahr 2021.»

Kramp-Karrenbauer verteidigte ihre Entscheidung, den CDU-Vorsitz nur
zwei Jahre nach ihrer Wahl wieder abzugeben: «Dieser Schritt war
schwer. Aber er war reiflich überlegt und er war richtig.» Zugleich
sagte Kramp-Karrenbauer an die Adresse der Mitglieder: «Euren
Erwartungen und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht
geworden zu sein, das schmerzt - auch heute noch.»

Merkel sagte, man erlebe «fundamentale, grundlegende Veränderungen,
und alle diese Veränderungen gleichzeitig». Sie nannte die
Digitalisierung, den Klima- sowie den demografischen Wandel. Die CDU
werde sich den Aufgaben stellen und gute Antworten finden. Dies werde
auch deswegen gelingen, «weil wir pragmatisch an die Dinge
herangehen, nach Lösungen im täglichen Leben suchen und nicht einfach
am theoretischen Reißbrett».

Aus Sicht von CSU-Chef Söder steht die Union nicht nur wegen der
Corona-Krise in diesem Jahr vor besonders großen Herausforderungen.
«Es geht um Leitentscheidungen für die nächsten zehn Jahre in unserem

Land», sagte der bayerische Ministerpräsident

Die Wahl des neuen Parteivorsitzenden ist für diesen Samstagvormittag
geplant. Es wird damit gerechnet, dass keiner der drei Kandidaten
schon im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit erhält. Im
darauffolgenden zweiten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der
abgegebenen gültigen Stimmen.

Die Delegierten wählen digital - ein Novum in Deutschland. Um die
«digitale Vorauswahl» rechtssicher zu machen, schließt sich aber eine

Briefwahl an. Deren Ergebnis soll am 22. Januar verkündet werden.
Laschet, Merz und Röttgen haben jeweils versichert, das Ergebnis der
Online-Abstimmung zu akzeptieren und bei einer Niederlage nicht zur
Briefwahl anzutreten. Rein rechtlich wäre das möglich.

Die Lösung der Personalfrage schleppt sich seit Kramp-Karrenbauers
Rückzugsankündigung im Februar 2020 hin. Ein ursprünglich für Ende

April anvisierter Sonderparteitag sowie ein Parteitag im Dezember
waren wegen der Pandemie abgesagt worden.

Schon vor Beginn des Parteitags hatten führende Christdemokraten die
Partei zu Geschlossenheit aufgerufen. «Nach dem Samstag kommt der
Sonntag. Dann werden wir uns alle hinter dem neugewählten
Vorsitzenden versammeln und ihn als neugewählten Vorsitzenden,
möglichen Kanzlerkandidaten und möglichen künftigen Kanzler der
Bundesrepublik Deutschland aus vollen Kräften unterstützen -
solidarisch und uneingeschränkt», sagte CDU-Bundesvize Thomas Strobl
der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die CDU dürfe sich «nicht

länger als unbedingt nötig» mit sich selbst beschäftigen.

Allerdings müssen CDU und CSU noch die Kanzlerkandidatenfrage klären.
In den vergangenen Monaten lag bei Umfragen zu diesem Thema
regelmäßig Söder vorn. Er selbst hat allerdings bisher öffentlich
keine Ambitionen auf das Kanzleramt deutlich gemacht.

Auch am Freitag blieb Söder dazu vage. Auf die Frage, unter welchen
Umständen der Kanzlerkandidat der Union aus der CSU kommen könnte,
sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag): «Selbst in
der CDU wird diskutiert, dass es bislang keinen geborenen Kandidaten
gibt. Wer der Richtige ist, hängt auch vom inhaltlichen Profil ab,
mit dem wir in die Bundestagswahl gehen wollen.»

Zuletzt hatte sich angedeutet, dass die Union ihren Kanzlerkandidaten
erst nach den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz am 14. März küren wird.

Im Parteitagsstudio auf dem Berliner Messegelände war wegen der
Corona-Pandemie nur der engste Führungszirkel um Kramp-Karrenbauer
und Generalsekretär Paul Ziemiak anwesend. Gäste und Journalisten
waren wegen der Pandemie nicht zugelassen.

Nach der Wahl des neuen Vorsitzenden wird bis auf Generalsekretär
Ziemiak auch die komplette CDU-Führungsspitze online neu gewählt.
Laschet hat für den Fall eines Sieges angekündigt, dass er seinen
Teampartner, Gesundheitsminister Jens Spahn, als einen von fünf
stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlagen wird. Merz will die
Bewerbungen von drei Kandidatinnen der Jungen Union für den
Bundesvorstand unterstützen.