Neues Tui-Rettungspaket - Staatseinstieg wie bei Lufthansa möglich Von Andreas Hoenig, Jan Petermann und Sigrun Stock, dpa

In den Urlaub reisen - wie das kommendes Jahr wieder möglich ist, das
ist ungewisser denn je. Der weltgrößte Reiseanbieter Tui bekommt das
seit Monaten zu spüren, er ist angeschlagen. Nun bekommt er weitere
staatliche Unterstützung. Ist der Konzern jetzt genügend gerüstet?

Hannover/Berlin (dpa) - Der Tui-Konzern bekommt weitere Staatshilfen
gegen einen möglichen finanziellen Absturz in der Corona-Krise. Wie
der weltgrößte Reiseanbieter aus Hannover am Mittwoch mitteilte,
einigte sich Tui mit dem Bund sowie privaten Investoren und Banken
auf ein Finanzierungspaket von insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Vor
allem der Bund ist daran beteiligt. In letzter Konsequenz könnte der
Bund über so genannte stille Einlagen, die teilweise in
Unternehmensanteile umgewandelt werden könnten, künftig direkt an dem
Konzern beteiligt sein. Nötig ist nun noch die Zustimmung der
EU-Kommission, die prüfen muss, ob der Part des Bundes eine zulässige
staatliche Beihilfe ist.

Die Tourismusbranche ist neben Luftverkehr und Gastronomie besonders
stark vom Nachfragerückgang in der Pandemie betroffen. Auch die
Lufthansa erhielt im Sommer das Go dafür, mit deutscher Staatshilfe
weiterzufliegen. Die Aktionäre stimmten damals einer 20-prozentigen
Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik zu, die Wettbewerbshüter der
Europäischen Union genehmigten die deutschen Rettungsmaßnahmen. Das
Lufthansa-Rettungspaket hatte ein Volumen von 9 Milliarden Euro.

Tui war im Frühjahr als erstes deutsches Großunternehmen von der
staatlichen Förderbank KfW mit einem Darlehen über 1,8 Milliarden
Euro unterstützt worden. Ende September waren 1,2 Milliarden Euro in
Form einer zweiten Kreditlinie sowie einer Anleihe hinzugekommen, die
der Bund auch in eigene Anteile bei den Hannoveranern umwandeln kann.
Nun wurden die Verhandlungen über eine dritte Hilfstranche beendet.

Dieses weitere Finanzierungspaket soll die Position des Unternehmens
stärken und ausreichende Liquiditätsreserven zur Verfügung stellen,
wie es in einer Mitteilung des Konzerns hieß. Der Urlaubsanbieter
geht davon aus, dass es damit möglich ist, weitere
Reisebeschränkungen bis zum Beginn der Sommersaison 2021 finanziell
abzupuffern. Die Staatshilfen seien notwendig, weil die
Corona-Infektionszahlen stiegen und dadurch bedingt das
Buchungsverhalten der Kunden zunehmend kurzfristiger werde, so die
Tui.

Hatten im Sommer viele Menschen das Gefühl, in Sachen Corona das
schlimmste hinter sich zu haben, so ist die Buchungslust seit Beginn
der zweiten Welle der Pandemie äußerst verhalten. Viele Reiseanbieter
bieten inzwischen für die Verbraucher deutlich großzügiger Storno-
und Umbuchungsbedingungen an als vor Beginn der Corona-Pandemie -
Ziel ist es, die Kunden überhaupt wieder dazu zu ermutigen, noch
Reisen zu buchen.

Im Winter ist das Geschäft zudem immer deutlich schwächer als in den
Sommermonaten - Tui ist jetzt daher noch stärker gezwungen, seine
Zahlungsfähigkeit zu sichern. Mit Blick auf das neue Jahr hatte sich
das Tui-Management zuletzt wieder etwas optimistischer gezeigt.
Entscheidend dürfte auch sein, wie rasch großflächige Impfungen gegen

das neue Coronavirus anlaufen können.

Das neue Rettungspaket für die Tui sieht nun konkret eine so genannte
Bezugsrechtskapitalerhöhung über rund 500 Millionen Euro vor, die von
den Aktionären geschultert werden soll.

Daneben sind sogenannte stille Einlagen des staatlichen
Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) von insgesamt 700 Millionen
Euro geplant - davon könnte der Staat 420 Millionen Euro in
Tui-Aktien umwandeln. Sollte es zu einer Wandlung der stillen
Einlagen in Aktien und damit zu einer direkten Staatsbeteiligung
kommen, so wäre der WSF aber mit maximal 25 Prozent plus einer Aktie
beteiligt. Zwei vom WSF benannte Personen sollen künftig Mitglieder
des Aufsichtsrats der Tui werden. Daneben gibt es weitere
Einschränkungen - etwa in Bezug darauf, wie die Tui in andere
Unternehmen investieren darf, solange der WSF investiert bleibt.

Der WSF dient der Stabilisierung der Wirtschaft in Folge der
Coronavirus-Pandemie, er stellt Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen
zur Stärkung ihrer Kapitalbasis und zur Überwindung von
Liquiditätsengpässen bereit.

Außerdem ist eine weitere Staatsgarantie über 400 Millionen Euro oder
alternativ dazu die Erhöhung der nicht wandelbaren stillen Einlage
geplant, ferner eine zusätzliche Kreditlinie der KfW über 200
Millionen Euro. Außerdem sollen die bereits vorhandenen Kredite der
KfW bis Juli 2022 verlängert werden.

Der Tui-Großaktionär Unifirm Limited, der 24,9 Prozent am
Grundkapital hält und von der russischen Milliardärsfamilie
Mordaschow kontrolliert wird, begrüßte das Hilfspaket und damit auch
den möglichen Staatseinstieg ausdrücklich. Als langjähriger
strategischer Investor habe die Familie Mordaschow keinerlei Zweifel,
dass das Tui-Geschäftsmodell mittel- und langfristig gute Aussichten
habe, sagte eine Sprecherin des Großaktionärs in Moskau. Tui werde
mit großer Sicherheit wieder auf den Wachstumspfad der Vorjahre
zurückfinden. Zu den weiteren Tui-Aktionären gehören die spanische
Hotelgruppe Riu (3,6 Prozent), außerdem waren zuletzt 32,2 Prozent
des Grundkapitals bei privaten Investoren und 34,2 Prozent bei
institutionellen Anlegern.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, Tui sei vor
der Krise profitabel gewesen. Durch Corona habe die Reisebranche aber
mit nie vorher da gewesenen Schwierigkeiten zu kämpfen. «Mit den
heute beschlossenen Maßnahmen unterstützen wir den größten
Reiseanbieter in Deutschland dabei, diese schwierige Zeit zu
überbrücken», teilte die Ministeriumssprecherin in Berlin mit.