Doch keine früheren Weihnachtsferien im Südwesten

Kommando zurück und ab in die Klasse? Eigentlich sollten die
Weihnachtsferien dieses Jahr früher beginnen, so haben es Bund und
Länder vereinbart. Baden-Württemberg macht nun den Rückzieher: In der

Weihnachtswoche wird unterrichtet - unter besonderen Bedingungen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Zum Start in die Adventszeit trällert die
Landtags-SPD ihre Kritik an der Regierung diesmal mit Strophen eines
Weihnachtslieds: «Ihr Kinderlein kommet. Oder gehet. Oder bleibet
daheim. Oder doch nicht...», teilt die Fraktion am Dienstag mit - und
wirft Grün-Schwarz damit eine chaotische Pandemiepolitik vor. Denn
die Weihnachtsferien im Land starten trotz der Corona-Pandemie nun
doch wie ursprünglich vorgesehen erst am 23. Dezember. Das teilte die
Landesregierung am Dienstag mit. Dabei sollten die Schüler doch
dieses Jahr bereits am 19. Dezember in die Ferien entlassen werden.

Nun also doch nicht. Um die Kontakte und Begegnungen kurz vor
Heiligabend zu reduzieren, soll der Unterricht aber am 21. und 22.
Dezember unter besonderen Bedingungen stattfinden: Bis zur siebten
Klasse gilt zwar regulärer Präsenzunterricht an den Schulen vor Ort,
allerdings wird die Präsenzpflicht ausgesetzt. Eltern können ihre
Kinder also zuhause lassen, wenn sie das möchten. Schüler ab der
achten Klasse sollen an dem Montag und Dienstag vor Heiligabend
komplett im Fernunterricht unterrichtet werden, davon ihnen
wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ein höheres Infektionsrisiko
ausgeht. Einzelne Schulen können mit beweglichen Ferientagen von der
Regel abweichen und doch früher die Ferien einläuten.

Bund und Länder hatten eigentlich vergangene Woche vereinbart, dass
die Kinder dieses Jahr bereits am 19. Dezember in die Ferien
entlassen werden sollen, um Kontakte zu reduzieren und um noch einen
Puffer von ein paar Tagen vor den weihnachtlichen Familienfesten zu
haben, in denen sich Kinder und Jugendliche freiwillig in Quarantäne
begeben können. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte

selbst bereits vor der Absprache mit seinen Länderkollegen
vorgezogene Weihnachtsferien angekündigt. Mit dem neuen Vorstoß
widerspricht Baden-Württemberg nun der Vereinbarung von Bund und
Ländern.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte gehörige Bedenken
gegenüber den Bund-Länder-Plänen und warnte in den vergangenen Tagen

immer wieder vor organisatorischen Fragen und Betreuungsproblemen für
Eltern im Falle früherer Ferien. Sie wolle die Lehrer im Land nicht
zur Notbetreuung zwangsverpflichten, weil diese dafür nicht zuständig
seien, hatte sie noch vor wenigen Tagen gesagt. Eine Notbetreuung
wäre aus ihrer Sicht auch widersinnig gewesen, weil man die Ferien ja
eigentlich verlängert, damit die Kinder zuhause blieben.

Mit den Bedenken hat sie sich in der Landesregierung durchgesetzt.
«Ich bin froh, dass wir uns gemeinsam auf eine pragmatische und an
den Bedarfen von Eltern orientierte Lösung verständigt haben»,
betonte Eisenmann am Dienstag. Ihr Kompromissvorschlag trage der
Kontaktreduktion Rechnung und unterstützt die Familien bei der Frage
der Kinderbetreuung.

Bei den Lehrer-Verbänden stoßen die neuen Vorgaben allerdings auf
wenig Gegenliebe. «Für Schulleiter ist das die schlechteste aller
Lösungen», kritisierte der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und
Erziehung (VBE), Gerhard Brand. Die unterschiedlichen Planungen für
die unteren und höheren Klassenstufen seien ein Zeichen des
Konfliktes in der Landesregierung und ein «grün-schwarzer Kompromiss
in Wahlkampfzeiten».

Die neue GEW-Landeschefin Monika Stein warf der Regierung vor,
Zuständigkeiten seit Monaten nur weiterzureichen an Schulleitungen
und Kommunen, nun an die Eltern. «Das hat in diesem Fall das
Ergebnis, dass diejenigen, die es sich leisten können, ihre Kinder
nach Hause holen, die anderen nicht. Und Lehrer werden so zu
Betreuern mit Infektionsrisiko».

«Es wäre gescheit gewesen, die beiden Tage auch als Anerkennung für
die Lehrer frei zu geben», sagte VBE-Chef Brand. Die Betreuung der
Kinder und Jugendlichen hätten nach seiner Ansicht die Kommunen
organisieren können. «Lehrer zum reinen Betreuen, das ist nicht in
Ordnung», sagte Brand. «Und am besten wäre es gewesen, man hätte
gleich von vorneherein alles gelassen wie es war.»

Der Philologenverband kritisiert das Konzept als weltfremd. Die
Regierung sorge für zusätzliches Chaos an den Schulen. Die meisten
Schulen hätten überhaupt keine ausreichende Internetverbindung, um
mehr als die Hälfte aller Klassen aus der Schule heraus online zu
beschulen, kritisierte Verbandschef Ralf Scholl.

Kretschmann hingegen sprach am Dienstag von einem guten Kompromiss,
auch wenn das Land den Bund-Länder-Beschluss nicht wörtlich nehme.
Darin stehe nichts zu den Betreuungsmöglichkeiten, sagte der
Regierungschef. «Aber mir erschien das nicht tragbar, diesen
Beschluss ohne Betreuungsmöglichkeiten zu machen.» Es sei wichtig,
dass Menschen in wichtigen Berufen weiter arbeiten könnten. Das
Kultusministerium habe keine Betreuung durch Lehrer gewollt, daher
habe man sich nun auf einen anderen Weg geeinigt. Es gehe vor allem
darum, Kontakte zu reduzieren, rechtfertigte er den Kurswechsel der
Regierung. Dem «Geist des MPK-Beschlusses» sei zum überwiegenden Teil

Genüge getan.