Hohe Dunkelziffer an Schulen? - Testbeginn im Corona-Hotspot Von Sebastian Haak und Simone Rothe, dpa

Die Aktion ist ungewöhnlich: Tausende Kinder, Jugendliche, Lehrer und
Erzieher sind zu einem freiwilligen Corona-Test eingeladen. Der Kreis
Hildburghausen will damit nicht nur Sicherheit für Schul- und
Kita-Öffnungen bekommen.

Hildburghausen (dpa/th) - Zum Glück für die Kleinsten hat es in der
Nacht geschneit. Vor einem Seiteneingang des Kindergartens
«Werraspatzen» in Hildburghausen liegen am Dienstag stellenweise
mehrere Zentimeter Schnee. Ein schöner Zeitvertreib für etwa ein
halbes Dutzend Kinder, die mit ihren Eltern auf ihren
Corona-Schnelltest vor der Kita warten.

Sie sind die ersten Teilnehmer einer laut Thüringer
Gesundheitsministeriums bisher einmalige Aktion, die bis 4. Dezember
läuft: Im Corona-Hotspot Hildburghausen können sich tausende
Kindergarten- und Schulkinder sowie Lehrer und Erzieher freiwillig
auf das Virus testen lassen.

Das soll in dem Kreis an der Grenze zu Bayern die Wiederöffnung der
Kindergärten und Schulen ermöglichen. Sie sind nach einem
explosionsartigen Anstieg der Infektionszahlen seit dem 25. November
geschlossen. Der Landkreis war tagelang die Region in Deutschland mit
der höchsten Inzidenz mit bis zu 630 Neuinfektionen pro 100 000
Einwohnern in sieben Tagen. Am Dienstag ging der Wert weiter zurück
und lag laut Gesundheitsministerium bei 519.

Aber es geht bei den Tests nicht nur um die Schulöffnung. Es solle
auch herausgefunden werden, ob Schulen und Kitas eine erhöhte
Corona-Dunkelziffer aufwiesen, sagte Thüringens Gesundheitsministerin
Heike Werner (Linke) in Erfurt. Ob sich dafür ausreichend
Testkandidaten finden, ist allerdings bisher fraglich.

Etwa ein Drittel der Kinder aus den städtischen Kindergärten und die
Mehrheit der Erzieherinnen und Erzieher hätten sich zum Test
angemeldet, sagt Hildburghausens Bürgermeister Tilo Kummer (Linke),
der sich am Dienstag ebenfalls untersuchen lässt. Die Tests seien
auch dann wichtig und richtig, wenn nur ein Teil der Kinder in der
Region untersucht werde. «Wir werden dann sehen, wie hoch der Anteil
der Tests ist, die positiv ausfallen.»

Nicht alle Kommunalpolitiker des Kreises unterstützen wie Kummer die
Aktion. Eltern, die mit ihren Kindern vor der Kita warteten, haben
keine Vorbehalte. Sie sei Kindergarten-Erzieherin, habe also viel
Kontakt mit den Kleinsten und wolle sich deshalb testen lassen, sagt
eine Mutter. Angst, dass ihrem einjährigen Sohn der Test schaden
könne, habe sie nicht. «So was ist schnell wieder vergessen.» Eine
andere Mutter äußert sich ähnlich. Sie habe ihrer vierjährigen
Tochter gesagt, dass sie kurz zum Arzt müsse. Damit sei die Sache
erledigt gewesen.

Beide Kinder spielen mit großem Abstand zwischen sich fast eine
Stunde lang im Schnee. Geplant war dieses lange Spielen eigentlich
nicht. Doch der Beginn der Tests verzögerte sich - die Räume des
Kindergartens, der in einigen Wochen saniert werden soll, waren nicht
rechtzeitig eingerichtet.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums stehen insgesamt rund 11 000
Antigen-Tests im Kreis Hildburghausen zur Verfügung. Unterstützung
leisten dabei das Deutsche Rote Kreuz, das Technische Hilfswerk und
die Bundeswehr. Nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums gibt
es in dem Kreis etwa 6300 Schüler und 2700 Kindergartenkinder. Hinzu
kämen ihre Betreuer.

Ministerin Werner sieht den Grund für die hohe Inzidenz in der
Südthüringer Region in einer «gewissen Sorglosigkeit über den
Sommer», als es kaum Infektionen gab. So habe eine Hochzeitsfeier zu
einer großen Anzahl Infizierter geführt. Auch sogenannte
Garagen-Partys hätten eine Verbreitung des Virus zur Folge gehabt, so
dass jetzt ein diffuses Infektionsgeschehen vorliege. Außerdem spiele
wohl auch die hohe Zahl der Pendler nach Bayern eine Rolle, sagte
Werner.

Nach einer in der Nacht zu Dienstag veröffentlichten neuen Verordnung
des Kreises können Kindergärten und Schulen, an denen es Schnelltests
gab, Kinder und Jugendliche mit negativem Testergebnis am Folgetag
wieder betreuen. Unabhängig davon sollen alle Schulen des Kreises am
14. Dezember wieder in den eingeschränkten Regelbetrieb gehen.

Erst am Wochenende waren die Beschränkungen im Kreis Hildburghausen
mit einem Verbot unangemeldeter Versammlungen nochmals verschärft
worden. Damit reagierte das Landratsamt auf eine spontane
Protestaktion gegen den Lockdown vor einer knappen Woche, bei der
Hunderte Menschen singend und teilweise ohne Einhaltung der
Infektionsschutzregeln durch die Stadt gezogen waren. Seitdem ist
abends mehr Polizei auf den Straßen als sonst.