Wie lange wirken die Covid-19-Impfstoffe? Von Alice Lanzke, dpa

Pharmaunternehmen verkünden hoffnungsvolle Ergebnisse zu ihren
Corona-Impfstoffen. Doch bietet das dadurch trainierte Abwehrsystem
des Körpers einen ausdauernden Schutz?

Dortmund/Hamburg (dpa) - Die Schlagzeilen stimmen zuversichtlich: 90
Prozent oder mehr Schutz vor einer Erkrankung sollen die
Corona-Impfstoffkandidaten von Moderna und Biontech/Pfizer bieten,
ein Vakzin des britisch-schwedische Pharmakonzerns AstraZeneca
vermeldet immerhin mindestens 70 Prozent Wirksamkeit. Alle Hoffnungen
richten sich nun darauf, dass die Impfstoffe dazu beitragen werden,
die Ausbreitung des Erregers in absehbarer Zeit aufzuhalten und die
Pandemie einzudämmen. Doch wie lange hat der Körper zumindest einen
gewissen Schutz vor den Viren?

Noch können keine Langzeitstudien vorliegen, die entsprechende
Antworten liefern - die Studiendauer beträgt bislang jeweils einige
Monate. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des kalifornischen
La-Jolla-Instituts für Immunologie hat infizierte Menschen
untersucht. Demnach sind sowohl Antikörper als auch T-Zellen - zwei
der zentralen Waffen unseres Immunsystems - zumindest fünf Monate
nach dem Einsetzen der Symptome noch nachweisbar, selbst bei
Verläufen mit milder Symptomatik. Die Studie wurde als sogenanntes
Preprint veröffentlicht, ist also bislang nicht von unabhängigen
Experten begutachtet worden.

Für Thomas Jacobs vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in
Hamburg sind diese Beobachtungen mit Blick auf die mehrarmige
Reaktionsweise unseres Immunsystems ermutigend. Er verweist auf zwei
Punkte: So gebe es in dieser Studie die sogenannte sterile Immunität,
die von einer hohen Zahl neutralisierender Antikörper abhänge. Wenn
der Körper davon viele habe, werde ein Virus abgefangen, bevor es in
Zellen eindringen könne. Entsprechende Impfstoffe würden
wahrscheinlich sogar noch eine bessere Antikörper-Antwort hervorrufen
als eine natürliche Infektion. Solange es genügend Antikörper gebe
könne man von einer robusten, wenn nicht sogar sterilen Immunität
ausgehen, so Jacobs.

Zudem sei auch die T-Zell-Antwort über mehrere Monate nachweisbar
gewesen. Das lasse erwarten, dass sich die Symptomatik einer
Covid-19-Erkrankung verringert, sagt Jacobs. Eine solche klinische
Immunität würde dafür sorgen, dass Erkrankte beispielsweise nur
Erkältungssymptome wie bei harmloseren Coronaviren bekämen.

Von einer sterilen lebenslangen Schutzwirkung durch die Impfstoffe
könne indes derzeit nicht ausgegangen werden. Nichtsdestotrotz würden
die Ergebnisse der Preprint-Studie einen erfreulichen Rahmen für die
erwartete Immunität durch die Vakzine setzen.

Eine andere Studiengruppe hatte kürzlich berichtet, dass die T-Zellen
noch sechs Monate nach einer Sars-CoV-2-Infektion nachweisbar sind.
«Das sind vielversprechende Neuigkeiten: Wenn eine natürliche
Infektion mit dem Virus eine robuste T-Zell-Antwort hervorrufen kann,
bedeutet dies möglicherweise, dass ein Impfstoff dasselbe tun
könnte», kommentiert Fiona Watt, geschäftsführende Vorsitzende des

britischen Medical Research Council, in einem Artikel des
Fachjournals «The BMJ».

Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung
der Technischen Universität Dortmund, weist darauf hin, dass man bei
anderen Coronaviren, die normale Erkältungen auslösten, im Mittel ein
bis anderthalb Jahre vor einer erneuten Infektion geschützt sei. Eine
natürliche Infektion sei allerdings nicht mit einer Impfung
vergleichbar, die Immunantwort falle nach einer Impfung effizienter
aus, sagt Watzl, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft
für Immunologie ist. «Die Hoffnung ist also, dass die Immunität durch

die Impfstoffkandidaten deutlich länger anhält.»

Ob für eine Immunität vor allem Antikörper oder T-Zellen oder aber
eine Mischung aus beiden wichtig ist, sei noch nicht zu beantworten,
sagt Watzl. Immunologe Jacobs ergänzt: «Eine sterile Immunität ist
vermutlich vor allem von einer hohen Zahl neutralisierender
Antikörper abhängig, während die Schwere des Verlaufs mit der
T-Zellen-Antwort zusammenhängt, so dass es ein «wichtiger» in diesem

Kontext wahrscheinlich nicht gibt.»

Mit Blick auf vulnerable Risikogruppen, etwa in Altenheimen, sei eher
bedeutend, ein Vakzin zu haben, das einen sterilen Impfschutz für
Pflegerinnen und Pfleger und andere Menschen biete, die intensiv mit
Risikogruppen arbeiteten, sagt Jacobs. Diese müssten sich dann
vermutlich häufiger impfen lassen. «Für die breite Bevölkerung wü
rde
eine klinische Immunität eher reichen.»

Zudem sei derzeit noch ungewiss, ob eine Impfung auch davor schütze,
den Erreger weiterzugeben. «Bei einer hohen Antikörper-Antwort ist
die Wahrscheinlichkeit für eine solche Weitergabe sehr gering»,
erklärt Jacobs. Bei einer klinischen Immunität könnte allerdings
weiter das Risiko eines Spreadings bestehen - hier müssten weitere
Studien folgen.

Insgesamt, so Immunologe Watzl, würden die Impfstoffe aber zunächst
für eine Beruhigung der Situation sorgen. «Selbst, wenn der Schutz
nur zwei Jahre hält, könnte nachgeimpft werden», sagt er. «Das wä
re
zwar nervig, aber beherrschbar.» Und Sars-CoV-2 würde so zu einem
weiteren Erreger, gegen den man regelmäßig impfen muss. «Wir hätten

dann aber keine Pandemie mehr.»