Schärfere Corona-Regeln in Hildburghausen - «kein Spiel»

Im Kreis Hildburghausen wütet die Corona-Pandemie besonders stark.
Nun gelten daher noch einmal schärfere Auflagen - auch, um
unangemeldete Proteste zu verhindern. Derweil laufen die
Vorbereitungen für Massentests von Kita-Kindern und Schülern.

Hildburghausen/Erfurt (dpa/th) - Der besonders stark von der Pandemie
betroffene Kreis Hildburghausen hat die Corona-Beschränkungen noch
einmal drastisch verschärft: Nach dem unangemeldeten Corona-Protest
gilt seit Sonntag ein Versammlungsverbot in der Südthüringer Region.
Mit einer neuen Verordnung untersagte das Landratsamt am Samstag
Versammlungen sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem
Himmel sowie sämtliche Veranstaltungen im Kreisgebiet. Zudem gilt in
der Innenstadt von Hildburghausen jetzt eine allgemeine
Maskenpflicht.

Hildburghausens Bürgermeister Tilo Kummer (Linke) appellierte, das
Versammlungsverbot ernstzunehmen. «Sonst ist alles für die Katz»,
sagte der Rathauschef am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er
äußerte sich besorgt über Aufrufe in den sozialen Medien zu weiteren

Corona-Protesten in der kommenden Woche. Es sei nicht hinnehmbar,
wenn Menschen es offenbar als Spiel ansehen, die Regeln zu brechen.

Nach den neuen Corona-Regeln können nun nur noch im Einzelfall und
auf Antrag Versammlungen genehmigt werden, wenn sie
infektionsschutzrechtlich vertretbar sind und vier Tage vorher
angemeldet wurden. Unangemeldete Zusammenkünfte sind demnach
verboten.

Bei einem Corona-Protest waren am vergangenen Mittwoch mehrere
Hundert Menschen mit Kindern und teils ohne Mund-Nasen-Schutz und
Mindestabstand singend durch die Kreisstadt Hildburghausen gezogen.
Der unangemeldete Aufzug sorgte bei Landes- und Kommunalpolitikern
sowie im Netz für Fassungslosigkeit und Entsetzen. Die Polizei löste
die Ansammlung schließlich auch mit Hilfe von Pfefferspray auf.

Die neue Verordnung untersagt auch Sitzungen der Kommunen,
Parteitage, Gottesdienste und Märkte - mit Ausnahme von Wochenmärkten
und Beerdigungen. Die Thüringer Bischöfe reagierten mit Befremden auf
das kurzfristige Gottesdienstverbot am Vorabend des ersten Advent.
Das Verbot sei unverhältnismäßig, erklärte der Landesbischof der
Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer.
«Durch keinen der Gottesdienste unserer Landeskirche hat es aufgrund
der Schutzmaßnahmen bisher einen Hotspot gegeben.»

Der Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, kritisierte: «Unsere
Verfassung schützt die freie Ausübung der Religion. Das ist ein hohes
Gut, kein beliebiges.» Beide Bischöfe zeigten sich verärgert darübe
r,
dass der Landkreis nicht vor dem Erlass auf die Kirchen zugegangen
sei. Neymeyr und Kramer kündigten an, das Gespräch mit dem Landrat
Thomas Müller (CDU) suchen zu wollen.

Für die rund 63 000 Einwohner der Region gilt bereits seit Mittwoch
ein harter Lockdown mit strengen Ausgangsbeschränkungen; Kitas und
Schulen wurden geschlossen. Die Zahl der Neuinfektionen je 100 000
Einwohner innerhalb einer Woche lag im Kreis am Sonntag nach Angaben
des Gesundheitsamtes bei 588 (Vortag: 595). Das Robert Koch-Institut
(RKI) weist für den Kreis Hildburghausen eine Inzidenz von rund 579
aus.

Der Wert - der zwischenzeitlich sogar schon auf 630 geklettert war -
ist damit an diesem Wochenende erstmals seit Längerem wieder
gesunken. Dennoch leuchtete der Südthüringer Kreis an der bayerischen
Landesgrenze auf der Corona-Deutschland-Karte des RKI am Sonntag
neben der Stadt Passau weiter pink.

Derzeit laufen im Kreisgebiet die Vorbereitungen für eine bundesweit
bisher einzigartige Testaktion, bei der ab Dienstag die
Infektionshäufigkeit unter den Kindergarten- und Schulkindern
kontrolliert werden soll. Ziel der freiwilligen Tests ist eine
baldige Rückkehr der Kitas und Schulen in den eingeschränkten
Regelbetrieb.

Dafür stehen 11 000 Antigen-Tests und Unterstützung durch das
Deutsche Rote Kreuz, das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr
bereit. Die Bundeswehr leistet nach eigenen Angaben mit mehr als 20
Soldaten bei den mobilen Abstrichteams und der Kontaktnachverfolgung
Amtshilfe.

Neben Hildburghausen ist in Thüringen der Kreis Altenburger Land
besonders stark von der Corona-Pandemie betroffen. Der
Sieben-Tage-Wert lag dort am Sonntag bei 203,6 - nachdem er zuvor
schon die Marke von 300 übersprungen hatte. Auch dort werden
schärfere Regeln vorbereitet.

In ganz Thüringen wurden von Samstag auf Sonntag 322 Neuinfektionen
gemeldet. Die Zahl der Corona-Fälle seit Beginn der Pandemie stieg
damit auf 16 685. Im Freistaat sind bislang 346 mit dem Coronavirus
infizierte Menschen gestorben. Am Wochenende liegen die Fallzahlen
meist niedriger, da nicht alle Gesundheitsämter Daten übermitteln.