Länderübergreifende Demonstration gegen Corona-Maßnahmen

Sie werben für «Frieden und Freiheit» und halten die Corona-Regeln
für überzogen: Zur Demo der «Querdenken»-Initiative kommen an der
deutsch-polnischen Grenze Menschen aus zwei Ländern zusammen. Ein
Fall für den Verfassungsschutz ist die Bewegung bisher nicht.

Frankfurt (Oder) (dpa) - Bis zu 1500 Menschen aus Deutschland und
Polen haben in Frankfurt (Oder) nach Polizeiangaben gegen
Corona-Beschränkungen demonstriert. Bei der Kundgebung der Initiative
«Querdenken» aus Duisburg wurde am Samstag auf Deutsch und Polnisch
«Frieden» und «Freiheit» gerufen und gegen eine Einschränkung von

Grundrechten protestiert. Die Veranstalter sprachen von bis zu 1800
Menschen in der Spitze. Es war die erste länderübergreifende Aktion
dieser Art. Aus Slubice auf polnischer Seite kamen Hunderte nach
Frankfurt (Oder).

Veranstalter und Polizei mussten mehrfach dazu aufrufen, den
Mindestabstand einzuhalten und Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Viele
Besucher hielten sich nicht an die Maskenpflicht. Die Beamten zogen
eine positive Bilanz ihrer Linie der Deeskalation. Zeitweise lag die
Zahl der Teilnehmer nur bei einigen hundert Demonstranten.

Die Initiative «Querdenken» zweifelt die Corona-Maßnahmen an und
spricht von einer Einschränkung der Grundrechte. Auf einer Papp-Figur
in Frankfurt (Oder) stand «Voodoo Virus Wahn», auf einem Plakat «Wer

in der Corona-Krise schläft, wacht in der Diktatur auf!». Ein
Teilnehmer trug einen gelben Schutzanzug und ein Schild mit der
Aufschrift «Totale Hygiene» in Frakturschrift.

«Querdenken»-Gründer Michael Ballweg aus Stuttgart betonte in
Frankfurt (Oder): «Wir sind eine friedliche Bewegung, in der
Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes
Gedankengut keinen Platz hat.»

Zu einer Gegendemonstration kamen laut Polizei rund 150 Menschen.
Dazu hatte das Bündnis «Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)» unt
er
dem Motto «Solidarität statt Rücksichtslosigkeit - Maskenball statt
Corona-Leugner» aufgerufen. Bei Facebook erklärte es sich solidarisch
mit Risikogruppen, Krankenhauspersonal und denen, deren Existenz
durch die Krise bedroht ist. «Wir sagen Nein! zu Angstmacherei,
Falschbehauptungen, Rücksichtslosigkeit und Verschwörungsmythen»,
schrieben sie dort.

Der Verfassungsschutz hat die «Querdenken»-Bewegung nach Angaben von
Bayerns Innenministers Joachim Herrmann (CSU) bisher nicht förmlich
zum Beobachtungsobjekt erklärt. Die Bewegung, die seit Monaten
Proteste gegen die Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie
organisiert, sei eine äußerst heterogene Gruppierung, die man genau
im Blick habe, sagte Herrmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND, Sonntag). «Momentan ist aber der förmliche gesetzliche
Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes nicht eröffnet.»

Laut RND wollen die Sicherheitsbehörden vorerst auch weiter davon
absehen. Dies sei das Ergebnis einer Besprechung der Amtsleiter des
Bundesamtes für Verfassungsschutz und der 16 Landesämter oder
Abteilungen in der vergangenen Woche. «Im Moment reicht es noch nicht
für eine Einstufung zum Beobachtungsobjekt», zitiert das RND eine
Quelle in Sicherheitskreisen. Mit den «Querdenkern» verhalte es sich
bundesweit ähnlich wie mit «Reichsbürgern». Nicht die ganze Bewegun
g
sei extremistisch, was nicht ausschließe, dass Rechtsextremisten in
einzelnen Bundesländern einen bestimmenden Einfluss ausübten.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach sich
dafür aus, «Querdenken» zum Prüffall für den Verfassungsschutz zu

machen. «Ich würde der Meinung sein, dass Querdenken tatsächlich zum

Prüffall für den Verfassungsschutz werden sollte», sagte er am
Sonntag in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». «Denn das, was hier

artikuliert wird, das, was hier gesagt wird, geht einfach bei Weitem
über das hinaus, was man auch in einer Demokratie mit freier
Meinungsäußerung akzeptieren soll und akzeptieren muss. Denn es ist
nichts anderes wie Volksverhetzung.» Als Prüffall stuft das Bundesamt
für Verfassungsschutz (BfV) Organisationen ein, die nicht eindeutig
extremistisch sind, bei denen es aber gewisse Anhaltspunkte für einen
Verdacht gibt. Der Geheimdienst behält die Betroffenen gezielt im
Blick, wertet aber nur öffentlich verfügbare Informationen aus - also
etwa Reden bei einschlägigen Veranstaltungen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte davor, den
Protest gegen Corona-Maßnahmen pauschal zu verurteilen. «Wir müssen
die Corona-Demonstranten und ihre Sorgen ernst nehmen», sagte er den
Zeitungen der Funke Mediengruppe. In Leipzig war eine Demo der
Initiative «Querdenken» am 7. November aus dem Ruder gelaufen.
Zigtausende Menschen hatten dicht an dicht ohne Maske demonstriert
und die Corona-Vorgaben nicht eingehalten.